SAFE Finance Blog
19 Feb 2018

Die Rente im Koalitionsvertrag

Alexander Ludwig: Expertenkommission sinnvoll – warum aber Expertentum erst nach 2025 und davor Klientelpolitik?

Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für eine neue Bundesregierung sieht vor, dass bis zum Jahr 2025 das Rentenniveau auf 48 Prozent fixiert und der Beitragssatz auf 20 Prozent stabilisiert werden soll. Wie der Vertrag ferner richtig feststellt, sind diese beiden Ziele bei allen gängigen Annahmen zur demographischen Entwicklung und zur Entwicklung der Erwerbstätigkeit nicht mit dem umlagefinanzierten Rentensystem vereinbar. Sie können nur simultan erreicht werden, wenn der steuerfinanzierte Bundeszuschuss in der gesetzlichen Rentenversicherung erhöht wird. Damit wird implizit die demographische Last stärker auf die Schultern der jüngeren Bevölkerungsschichten verschoben, also die Arbeitnehmer, die eine höhere Steuerlast tragen werden. Für den Zeitraum nach 2025 soll eine Expertenkommission den dadurch entstehenden Schaden wieder richten. Warum erst danach?

Die Antwort ist einfach: Klientelpolitik. Um die kurze Historie der Rentenformel des Jahres 2003 in Erinnerung zu rufen: Damals wurde durch eine Expertenkommission der Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt, der eine ausgewogene Verteilung der demographischen Lasten zwischen Arbeitnehmern und Rentnern erreichen sollte. Ein elementares Prinzip der Rentenformel ist einfach: Steigen die Löhne, ziehen auch die Bezüge der Rentner an, sinken die Löhne zu stark, so sollten ebenfalls die Altersbezüge zurückgehen. Im Frühjahr 2009, als die Renten zum ersten Mal laut dieser Rentenformel hätten sinken sollen, wurde dieser Mechanismus unter dem damaligen Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) ausgehebelt. Warum? Klientelpolitik. Generationengerechtigkeit galt auch seinerzeit nur bis zu einem erträglichen Maß. Ein Sinken der Rentenbezüge wäre damals gerecht gewesen. Wäre. Hätte aber eben die Rentner getroffen. Ähnlich war es auch 1998 und 1999 als die Bundeszuschüsse erhöht wurden finanziert durch die Umsatzsteuer und die Mineralölsteuer.

Nun wird die Generationengerechtigkeit erneut unterminiert, erneut zulasten insbesondere der Erwerbstätigen. Die Transparenz des Systems wird reduziert, indem die wahren Kosten verschleiert werden. Experten sollen das dann bitte wieder richten; aber natürlich erst für die Zeit nach 2025, nach weiteren zwei Legislaturperioden, wohlgemerkt. Welcher Spielraum wird ihnen bleiben? Die jetzt vorgesehenen Maßnahmen schaffen Fakten, wie etwa die implizite Belastung durch höhere Steuern. Die Experten, die über die Zukunft entscheiden sollen, sind damit in ihrem Handlungsspielraum extrem eingeschränkt. Es wird nämlich kaum politisch machbar sein, die implizite Budgetlücke, die durch die jetzt ausgesprochenen Garantien im Rentensystem entsteht, in der Zukunft durch ein sprunghaftes Absenken des Rentenniveaus (und ein sprunghaftes Absenken des entsprechenden steuerfinanzierten Staatsbeitrags) wieder auszugleichen.

Experten sind wichtig, da die Frage nach der optimalen Gestaltung der Rentenversicherung komplex ist, aber bitteschön sofort. Und bis diese entscheiden, sollte die Rentenformel, die ja einst von Experten vorgeschlagen wurde, mit aller Konsequenz in Kraft bleiben. Alles andere wäre inkonsistente Politik und schlicht Verschwendung von Steuergeldern. Schließlich müssen Expertenkommissionen ja irgendwie finanziert werden.

Im Übrigen enthält der Koalitionsvertrag darüber hinaus einige sehr wichtige und richtige Ansatzpunkte. Etwa das Opting-out für Selbständige, ein Festhalten an der Erhöhung des Renteneintrittsalters (wenn auch noch immer nicht von einer sinnvollen Kopplung desselben an die Lebenserwartung die Rede ist) und eine Stärkung des Dreisäulensystems auch im Dialog mit der Versicherungswirtschaft.

All dies ist sinnvoll, über all dies sollte eine Expertendiskussion stattfinden. Aber bitte mit dem Ziel schnellstmöglicher Umsetzung der Ergebnisse und nicht erst für die Zeit nach 2025, wenn die jetzigen Reformvorschläge schon irreversible Fakten geschaffen haben.

Alexander Ludwig ist Programmdirektor „Macro Finance – Monetary Policy and Fiscal Stability“ am Research Center SAFE.