SAFE Finance Blog
30 Jan 2019

Die Klimaeffekte von Elektroautos: teuer, aber unterschätzt

Alfons Weichenrieder: Technische Studien bescheinigen Elektroautos nur geringe Vorteile bei der CO2-Bilanz gegenüber Fahrzeugen mit konventionellen Antrieben. Dabei werden aber wichtige ökonomische Rahmenbedingungen übersehen

Die Verunsicherung auf den Absatzmärkten für Autos ist groß. Ist es noch sinnvoll, ein Dieselfahrzeug zu kaufen? Wie sieht es auf der anderen Seite mit den Klimaeffekten von Elektroautos aus?

Auch bei der zweiten Frage gibt es große Bedenken. Schließlich sind auch die Produktion und der Betrieb der Elektroautos nicht CO2-frei, wenn der Strom zum Betrieb aus Kohlekraftwerken stammt. Im schlimmsten Fall könnte der CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs sogar steigen, wenn mehr Menschen auf ein Elektroauto umsteigen. In diesem Fall bliebe lediglich die Reduktion von Feinstaub und Stickoxiden in den Innenstädten.

Ganz unberechtigt ist die Sorge nicht. Das Bundesumweltministerium hat letzten Sommer Berechnungen vorgestellt, nach denen der CO2-Ausstoß von Elektroautos über den Lebenszyklus berechnet beim aktuellen Strommix um nur 16 Prozent unter dem von Dieselfahrzeugen liege. Auch andere Studien bescheinigen den Elektroautos bislang eine Klimabilanz, die überraschend nur wenig besser ausfällt als die von Dieselautos. 

Ökonomische Rahmenbedingungen entscheidend

Ein Problem dieser Studien ist, dass sie zwar versuchen, den gesamten Verbrauch und oft sogar den Produktionszyklus von Fahrzeugen im Hinblick auf den Schadstoffausstoß zu erfassen. Sie ignorieren aber völlig die ökonomischen Rahmenbedingungen, unter denen der CO2-Ausstoß stattfindet. Die Ergebnisse sind deshalb im europäischen Kontext mehr als fraglich.

Bei den Rahmenbedingungen ist das System des europäischen CO2-Handels entscheidend: Die zusätzliche Nachfrage nach Kohlestrom, die durch das Laden der zusätzlichen Elektroautos entsteht, bedeutet in diesem System, dass die Stromindustrie zusätzliche CO2-Zertifikate benötigt. Da die Menge der Zertifikate von der Europäischen Union insgesamt beschränkt wird, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sie diese Zertifikate anderen Verwendungen abkaufen und damit entziehen muss. Entsprechend entsteht bei diesen anderen Verwendungen weniger CO2.

Damit steht jeder Tonne CO2, die durch Elektroautos und der damit verbundenen Nachfrage nach Kohlestrom zusätzlich verursacht wird, eine Tonne CO2 gegenüber, die irgendwo in der europäischen Wirtschaft eingespart werden muss. Ein Mehrausstoß durch ein zusätzliches Elektroauto wird also an anderer Stelle vollständig kompensiert. Technische Studien berücksichtigen dies nicht. Sie sind daher zu pessimistisch, wenn es darum geht, den Effekt von Elektroautos auf die CO2-Bilanz zu erfassen.

Auch beim Ausstieg aus dem Benzin- oder Dieselauto gibt es wichtige ökonomische Effekte. Diese laufen allerdings nicht über den europäischen CO2-Handel. Dort ist zwar die Stromindustrie angeschlossen, die den Kohlestrom zur Ladung der Elektroautos bereitstellt, nicht aber der Autoverkehr. Weder müssen Autofahrer für ihren CO2-Ausstoß Zertifikate kaufen, noch die Mineralölindustrie, die das Benzin zur Produktion des Ausstoßes liefert. Also werden beim Verzicht auf Autos mit konventionellen Antriebssystemen keine Zertifikate frei, die andernorts zu mehr CO2-Ausstoß führen. Es spricht also einiges dafür, dass der Umstieg beziehungsweise Verzicht auf ein mit Kraftstoff betriebenes Auto dazu führt, dass die entsprechenden CO2-Mengen eingespart werden.

Allerdings kann es gegenläufige Preiseffekte auf dem Mineralölmarkt geben. Jemand, der bislang ein konventionelles Auto gefahren ist und so zum CO2-Ausstoß im Verkehr beigetragen hat, spart diesen beim Umstieg auf ein Elektroauto ein. Er fragt zugleich aber weniger Treibstoffe nach. Kommen viele verringerte Nachfragen zusammen, dann sinkt der Preis für Mineralölprodukte – was anderswo auf der Welt dazu führt, dass die Nachfrage wegen des geringeren Preises steigt und damit auch der Absatz.  Entscheidend für die gesamte Klimabilanz ist also, wie groß die Ausweitung der Nachfrage anderenorts auf den Mineralölmärkten ist. Dies ist aber nur ein Gegeneffekt: Die dadurch ausgelöste Mehrnachfrage andernorts kann die Mindernachfrage des Elektroautobesitzers nicht überkompensieren. 

Die technischen Berechnungen zur CO2-Überlegenheit von Elektroautos gegenüber Kraftfahrzeugen mit konventionellen Antrieben beruhen auf zahlreichen Annahmen. Selbst wenn die technischen Berechnungen viel zu optimistisch wären: Ein Mehrausstoß an CO2 ist aufgrund des europäischen CO2-Handelssystems nicht zu befürchten. Dies kann zur moralischen Erleichterung beim Käufer von Elektroautos beitragen. 

Fehlende Deckelung des CO2-Ausstoßes im Autoverkehr erlaubt Reduzierung

In der ökonomischen Analyse ergibt sich der CO2-Vorteil eines privaten Umstiegs auf das Elektroauto letztendlich auch aus einer asymmetrischen Politik auf europäischer Ebene. Während der Großteil des CO2-Ausstoßes in Industrie und Stromerzeugung bereits durch den Zertifikate-Handel gedeckelt ist, gilt dies nicht für den Autoverkehr. Jemand, der vom Diesel aufs Elektroauto umsteigt, kauft implizit über seine Stromrechnung und die Stromproduzenten zusätzliche Zertifikate und entzieht sie anderen umweltschädlichen Verwendungen. Gleichzeitig führt die verringerte Benzinnachfrage nicht zu einem erhöhten Angebot an Zertifikaten, die einen gleichhohen Mehrausstoß anderswo bedeuten würden. Bedeutend billiger wäre der gleiche Umwelteffekt allerdings aufgrund des geringen Vorteils des Elektro-Autos zu erreichen, indem man explizit Zertifikate kauft, diese stilllegt und weiterhin einen effizienten Verbrennungsmotor fährt. Der Umstieg auf das Elektroauto ist ein äußerst teurer Weg um CO2 zu vermeiden. Um die CO2-Menge, die ein Mittelklasse PKW über seinen Lebenszyklus ausstößt, einzusparen, bedarf es an anderer Stelle nur etwa 1.000 Euro an Kosten. Dies lässt sich leicht überschlagen, weil man die etwa 40 Tonnen CO2 über die Verknappung von CO2-Zertifikaten erreichen könnte, die derzeit pro Tonne etwa 25 Euro kosten.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Gesamtausstoß durch den Umstieg in Europa selbst dann sinken würde, wenn nur Kohlestrom zum Laden genutzt würde. 


Alfons Weichenrieder ist Professor für Finanzwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt.