SAFE Finance Blog
30 Sep 2022

Das SAFE Regulatory Radar im September

Endgültige Standards für die Verbriefungsverordnung, neue Leitlinien für MiFID II und Ergänzungen zur überarbeiteten Zahlungsdiensterichtlinie

Am Ende jedes Monats stellt das SAFE Regulatory Radar eine Auswahl wichtiger Neuigkeiten und Entwicklungen im Bereich der Finanzregulierung auf nationaler und EU-Ebene zusammen.

Wertpapieraufsicht: Größere Klarheit bei der Umstellung auf sequenzielle Abschreibung

Am 19. September 2022 hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) ihren endgültigen Entwurf zu technischen Regulierungsstandards („regulatory technical standards”, RTS) veröffentlicht, die die leistungsabhängigen Auslöser gemäß der durch die EU-Verordnung 2021/557 (SECR) überarbeiteten Verbriefungsverordnung festlegen und, bei Bedarf, vereinheitlichen. Gemäß der SECR müssen bilanzwirksame Verbriefungen mit nicht-sequenzieller Priorität von Zahlungen von der Wertentwicklung der ihnen zugrunde liegenden Risikopositionen abhängige Auslöser umfassen, um als einfach, transparent und standardisiert („simple, transparent, and standardized”, STS) gelten zu können. Um sicherzustellen, dass kreditabsichernde Tranchen nicht bereits abgeschrieben worden sind, wenn bei Abschluss einer Transaktion erhebliche Verluste auftreten, wird die nicht-sequenzielle Abschreibung auf Grundlage dieser Auslöser wieder auf sequenzielle Zahlungen unter Berücksichtigung der Priorität umgestellt. Die jetzt veröffentlichten RTS spezifizieren die Eigenschaften dieser rückwärtsgerichteten und vorwärtsgerichteten Auslöser.

Rückwärtsgerichtete Auslöser

Die SECR schreibt die Einrichtung von zwei rückwärtsgerichteten Auslösern vor. Der erste rückwärtsgerichtete Auslöser bezieht sich entweder auf den Anstieg des Gesamtbetrags an ausgefallenen Forderungen oder den Anstieg der Gesamtverluste, der einen bestimmten Prozentsatz des ausstehenden Betrages des zugrunde liegenden Portfolios bei Abschluss der Transaktion übersteigt. Der zweite rückwärtsgerichtete Auslöser wird hingegen dann aktiviert, sobald die höchstrangige Tranche, die von einer anerkennten Kreditabsicherung profitiert, unter einen bestimmten Prozentsatz eines Ablösepunkts (detachment point) sinkt, der bei Transaktionsabschluss festgesetzt wurde. Die entscheidenden Schwellenwerte für beide Auslöser hängen von anfänglichen Bewertungen der an der Verbriefung beteiligten Parteien ab, deren Wirksamkeit in einem Backloaded-Loss-Distribution-Szenario unter Berücksichtigung der über die gesamte Laufzeit der Transaktion erwarteten Verluste getestet werden muss.

Vorwärtsgerichtete Auslöser

Die SECR berücksichtigt darüber hinaus einen vorwärtsgerichteten Auslöser, der vom Granularitätsgrad des Pools der effektiven zugrunde liegenden Risikopositionen abhängt. Im Falle nicht-granulärer Pools bezieht sich der Auslöser auf das Konzentrationsrisiko und wird aktiviert, wenn die ausstehende Summe einiger der größten verbrieften Risikopositionen gegenüber individuellen Schuldnern die Summe des ausstehenden Betrags der höchstrangigen geschützten Tranche sowie der dieser um eine gewisse Anzahl untergeordneten Tranchen übersteigt. Im Falle granulärer Pools stellt der Auslöser auf das Kreditrisiko ab und wird aktiviert, sobald das Verhältnis zwischen dem ausstehenden Betrag von einer höheren Kreditrisikoklasse zugeordneten zugrunde liegenden Risikopositionen und dem ausstehenden Betrag des zugrunde liegenden Portfolios das entsprechende Verhältnis bei Transaktionsabschluss um einen gewissen Prozentsatz übersteigt. Die maßgeblichen Schwellenwerte für beide Auslöser beziehen sich also auf den Ausgangspunkt der Risikoverteilung zu Beginn.

Diese rückwirkenden und vorausschauenden Auslöser wurden der Europäischen Kommission vorgelegt und werden vom Europäischen Parlament und Rat vor ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt geprüft. In der Vergangenheit wurden bereits RTS zu den Anforderungen an den Risikoselbstbehalt von Verbriefungen und den Inhalt und das Format von STS-Verbriefungsanzeigen für bilanzwirksame Verbriefungen veröffentlicht, wie das SAFE Regulatory Radar im April 2022 und Oktober 2021 dargelegt hat.

Finanzmärkte: Neue Eignungsanforderungen für Investmentfirmen

Am 23. September 2022 hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde („European Securities and Markets Authority”, ESMA) ihre Richtlinien zu gewissen Aspekten der Eignungsanforderungen an Investmentfirmen gemäß der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente („Markets in Financial Instruments Directive“, MiFID II) veröffentlicht – zwei Monate, nachdem die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung („European Insurance and Occupational Pensions Authority”, EIOPA) in derselben Angelegenheit Orientierung für Versicherungshersteller, -unternehmen und -vermittler gegeben hat.

Im vergangenen Monat hat das SAFE Regulatory Radar deutlich gemacht, dass Einrichtungen, die in das Anwendungsgebiet von MiFID II fallen, bei der Identifikation von Interessenskonflikten und der Bewertung der Eignung eines Investments nun die individuellen Nachhaltigkeitsvorlieben potenzieller Klienten berücksichtigen müssen. Zur Gewährleistung der gemeinschaftlichen, einheitlichen und konsistenten Anwendung der Eignungsanforderungen und der Fähigkeit der Klienten, die Risiken und Natur der empfohlenen Finanzinstrumente zu verstehen, unterstützen die Richtlinien der ESMA Firmen dabei

(a) nur notwendige Informationen über das Wissen, die Erfahrung, die Anlageziele und finanzielle Situation eines Klienten zu sammeln, u.a. dessen gegenwärtiges Einkommen, Vermögenswerte und Verpflichtungen, abhängig von der Art des finanziellen Instruments, der Bedürfnisse und Umstände des Klienten, der Art des Klienten und des Wesens und Größe des Vermögensverwalters;

(b) zuverlässige, zutreffende und konsistente Klienten-Informationen zu gewährleisten, indem das finanzielle Wissen, das Ausmaß an Selbstüberschätzung, die Risikotoleranz und die Risikowahrnehmung eines Klienten so objektiv wie möglich offengelegt wird;

(c) zu beurteilen, ob ein Kunde lieber soziale, ökologische oder unternehmerische Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt (oder eine Kombination aus diesen) genauso wie die wichtigsten Indikatoren nachteiliger Auswirkungen; und

(d) angemessene Verfahren zu erarbeiten, einzurichten und zu unterhalten, um die grundlegenden Eigenschaften ihrer Klienten zu verstehen, wie zum Beispiel unmissverständliche Fragebögen.

Im Gegensatz zu den national zuständigen Behörden müssen Investmentfirmen nicht angeben oder erklären, ob sie mit diesen Richtlinien übereinstimmen oder nicht.

Finanzdienstleistungen: Ausnahmen von der Anwendung starker Kundenauthentifizierung

Am 16. August 2022 hat die Europäische Kommission eine Delegierte Verordnung veröffentlicht, die die technischen Regulierungsstandards in Ergänzung der überarbeiteten Richtlinie über Zahlungsdienste („Revised Payment Services Directive”, PSD2) abändern. Der neue gesetzgeberische Akt resultiert aus einer rechtlichen Vorschrift, die RTS regelmäßig auf Grundlage einer Empfehlung durch die EBA zu aktualisieren und soll durch die Einführung von Ausnahmen bei der Anwendung der starken Kundenauthentifizierung („strong customer authentication”, SCA) unerwünschte Reibungen im Kundenprozess umgehen. Die aktualisierten RTS sehen vor, dass die Mehrfaktor-Online-Authentifizierung nicht angewendet werden muss, wenn Kund:innen über einen Kontoinformationsdienstleister auf ihre Zahlungskontodaten zugreifen, im Speziellen auf den Kontostand und kürzlich abgewickelte Transaktionen, und die Kontoinformationsdienstleister SCA beim ersten Zugriff, im Falle von Hinweisen auf unberechtigten oder betrügerischen Zugang, sowie in regelmäßigen Abständen einsetzen. Wenn Kund:innen die Kontoinformationen direkt abrufen, kann SCA angewendet werden. In beiden Fällen muss SCA jetzt alle 180 Tage anstelle von alle 90 Tage erneuert werden. Die Verordnung tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.

Öffentliche Konsultationen:

  • Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA): Konsultation zu der Auflage für national zuständige Behörden, dass Handelsplätze angemessene Kommunikationsprotokolle für den Fall von Marktausfall haben sollen. Die Frist endet am Freitag, den 16. Dezember 2022.
  • ESMA: Konsultation zu technischen Regulierungsstandards zu den Plänen zur Unternehmensumstrukturierung von zentralen Gegenparteien. Die Frist endet am Donnerstag, den 1. Dezember 2022.
 

Carl-Georg Luft ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am SAFE Policy Center.