Am Ende jedes Monats stellt das SAFE Regulatory Radar eine Auswahl wichtiger Neuigkeiten und Entwicklungen im Bereich der Finanzregulierung auf nationaler und EU-Ebene zusammen. Im Juni 2020 haben die Europäische Kommission und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) neue Regeln für die Kapitalmarktunion aufgestellt.
Clearing zentraler Gegenparteien: Neue Regeln bezüglich der systemischen Bedeutung, Gebühren und Compliance von Nicht-EU-Clearingstellen
Am 11. Juni 2020 veröffentlichte die Europäische-Kommission drei Entwürfe für delegierte Verordnungen, die die Europäische Marktinfrastrukturverordnung (EMIR) bezüglich zentraler Gegenparteien (CCPs) aus Drittländern ergänzt. Am 1. Januar 2020 traten die nach dem Brexit überarbeiteten Regeln für das Clearing von Gegenparteien in Kraft. Die Einzelheiten der Reform wurden im SAFE Regulatory Radar im Oktober 2019 dargelegt. Die jüngsten Vorschläge zielen darauf ab, Rechtssicherheit für das neue Aufsichtsregime zu schaffen.
Die erste Verordnung legt die Kriterien fest, die die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) anzuwenden hat, wenn sie feststellen möchte, ob ein Drittstaaten-CPP für die Finanzstabilität der EU oder eines Mitgliedstaates systemrelevant ist oder wahrscheinlich werden wird. Im Einzelnen definiert die Verordnung eine Reihe von Kernelementen, die von der ESMA zu bewerten sind, darunter Art, Größe und Komplexität des CPP, die Auswirkungen eines Ausfalls und andere Interaktionen. Darüber hinaus enthält sie quantitative Indikatoren, die es der ESMA ermöglichen, das Ausfallrisiko der Clearingparteien abzuschätzen. Die zweite Verordnung befasst sich mit den Gebührentypen, den Fällen, wann Gebühren zu entrichten sind, der Höhe und der Art und Weise, wie die Gebühren von Drittstaaten-CPPs zu zahlen sind. Die letzte Verordnung legt die Mindestelemente fest, die die ESMA einzuschätzen hat, wenn Nicht-EU-CPPs „Comparable Compliance“ beantragen, also ob eine Clearingstelle Aufsichtsanforderungen vergleichbar mit EMIR im Drittstaat unterliegt.
Es wird erwartet, dass die Entwürfe nach der Konsultationsphase von der EU-Kommission angenommen werden und in allen Mitgliedsstaaten verbindlich und direkt anwendbar sind.
Finanzaufsicht: EBA präsentiert Richtlinien zur Kreditvergabe und -überwachung
Am 29. Mai 2020 veröffentlichte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) Richtlinien zur Kreditvergabe und -überwachung. Die Leitlinien wurden als Reaktion auf den Aktionsplan des Europäischen Rates erstellt, um den hohen Anteil notleidender Kredite in den Bankbilanzen zu adressieren.
Die Leitlinie befasst sich mit Mängeln in der Kreditvergabepolitik und -praxis der Institutionen nach der jüngsten Finanzkrise und zielt darauf ab, die künftige Kreditvergabe und die Qualität der Vermögenswerte durch die Festlegung aufsichtsrechtlicher Standards und die Gewährleistung des Verbraucherschutzes zu stärken.
Die Richtlinien spezifizieren die internen Governance-Regelungen, Prozesse und Mechanismen, die in der Eigenkapitalrichtlinie festgelegt sind, führen Anforderungen für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer ein und legen die aufsichtsrechtlichen Erwartungen für die risikobasierte Preisgestaltung von Krediten fest. Das Dokument definiert auch die laufende Überwachung von Kreditrisiken und Ausfallrisiken (Exposure), einschließlich regelmäßiger Kreditüberprüfungen der Kreditnehmer.
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie legt die EBA eine dreiphasige Umsetzung der Leitlinien fest, um den Institutionen zusätzliche Zeit zu geben, sich mit allen COVID-19-bezogenen unmittelbaren betrieblichen Prioritäten zu befassen. Die Leitlinien gelten ab dem 30. Juni 2021, wobei die Übergangszeit am 30. Juni 2024 enden wird.
Bankenunion: Kommission hat nach der COVID-19-Pandemie die technischen Regulierungsstandards für die vorsichtige Bewertung unter CRR überarbeitet
Am 28. Mai 2020 verabschiedete die EU-Kommission eine delegierte Verordnung zur Ergänzung der Kapitaladäquanzverordnung ("Capital Requirements Regulation", CRR) in Bezug auf regulatorische technische Standards für die vorsichtige Bewertung (Prudent Valuation).
Der delegierte Rechtsakt führte eine vorübergehende Erhöhung des Aggregationsfaktors von 50 Prozent auf 66 Prozent ein, der zur Berechnung der aggregierten Beträge der zusätzlichen Wertanpassungen (Additional Value Adjustments, AVA) verwendet wird. Der Zweck dieser vorübergehenden Anpassung besteht darin, die übermäßigen Auswirkungen der derzeit extremen Marktvolatilität auf die AVA-Beträge zu mildern, die von den Eigenmitteln der Banken abgezogenen werden. Darüber hinaus kann der erhöhte Aggregationsfaktor den Betrag verringern, der vom harten Kernkapital CET 1der Banken abgezogen wird. Dieses hat die höchste Qualität des regulatorischen Kapitals und absorbiert Verluste sofort nach ihrem Auftreten. Die Bestimmung sollte bis zum 31. Dezember 2020 in allen Mitgliedsstaaten gelten.
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Anastasia Kotovskaia ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am SAFE Policy Center und promoviert derzeit in Rechtswissenschaften an der Goethe-Universität.