SAFE Finance Blog
31 Jul 2019

Das SAFE Regulatory Radar im Juli

Ein Sondergutachten des Sachverständigenrats zur Klimapolitik, Grundsteuerreform in Deutschland und ein neuer EU-Rechtsrahmen für Crowdfunding: eine Auswahl regulatorischer Entwicklungen in diesem Monat

Am Ende jedes Monats stellt das SAFE Regulatory Radar eine Auswahl wichtiger Neuigkeiten  und Entwicklungen im Bereich der Finanzregulierung zusammen.

Sondergutachten 2019: CO₂-Bepreisung als zentrales klimapolitisches Instrument

Am 12. Juli 2019 hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung das Sondergutachten „Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik“ vorgelegt. Darin loten die Autoren verschiedene Reformoptionen für die Klimapolitik aus. 

Die Entscheidung für einen CO₂-Preis als zentrales klimapolitisches Instrument sollte Kernanliegen in der Neuausrichtung der Klimapolitik sein, heißt es im Gutachten. Darüber hinaus sollte es oberste Priorität der klimapolitischen Agenda der EU sein, zusätzliche Sektoren wie Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft in das bestehende EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) in allen Mitgliedstaaten einzubeziehen. Aktuell sind nur die Energiewirtschaft und die Industrie abgedeckt. Somit würden auf europäischer Ebene die getrennten sektoralen Ziele entfallen. 

Eine Ausweitung des EU-ETS könnte zu langwierigen rechtlichen und politischen Verfahren führen, warnen die Autoren. Um kurzfristig und mit relativ geringem Aufwand die deutschen Ziele für den Nicht-EU-ETS-Bereich erreichen zu können, sei eine separate CO₂-Bepreisung in diesen Sektoren als Übergangslösung nötig. Ein separater Emissionshandel für diese Sektoren oder eine CO₂-Steuer stellen die zwei Optionen dar, die dies kurzfristig ermöglichen könnten, schreibt der Rat.

Beide Ansätze brächten demnach Vor- und Nachteile mit sich: Für einen separaten Emissionshandel zum Beispiel würde sprechen, dass die Erreichung des Mengenziels direkt sicherzustellen sei. Im Vergleich dazu wäre bei einer CO₂-Steuer eine regelmäßige Anpassung der Steuerrate erforderlich. Dies könnte die Glaubwürdigkeit politischen Handelns im Hinblick auf dessen Verlässlichkeit in Frage stellen, heißt es im Gutachten. Der Preis im Emissionshandel ergebe sich hingegen durch den festgelegten Pfad der Zertifikatsmenge. Was die administrative und politische Umsetzbarkeit anbelangt, wäre die CO₂-Steuer mit relativ geringem Aufwand verbunden und kurzfristig umsetzbar. Ein separater Emissionshandel dürfte dagegen einfacher in das bereits bestehende EU-ETS integriert werden können. Zudem würde der Preis endogen auf konjunkturelle Schwankungen reagieren, so die Autoren.

Eine CO₂-Bepreisung in Deutschland sollte als ausschließliches Ziel die effiziente Reduzierung von Emissionen und nicht höhere Steuereinnahmen verfolgen, heben die Autoren explizit hervor. Um für eine stärkere Akzeptanz in der Bevölkerung zu sorgen, sollten die daraus entstehenden Einnahmen zurückverteilt werden, heißt es im Gutachten.

Die Bundesregierung will noch im Herbst 2019 eine Entscheidung zur CO₂-Bepreisung treffen. 

Grundsteuerreform: Grundgesetzänderung und neue Berechnungsmethoden

Die Reform der Grundsteuer kommt voran, die für die Städte und Gemeinden finanziell besonders bedeutsam ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer zugrundeliegenden, veralteten Einheitswerte für Gebäude und Grundstücke bereits im April 2018 festgestellt. Demnach muss die Grundsteuer bis Ende 2019 neu geregelt sein. Der Bundestag hat das aus drei Gesetzentwürfen bestehende Reformprojekt der Großen Koalition (19/11084, 19/11085, 19/11086) am Donnerstag, 27. Juni 2019, an die zuständigen Ausschüsse unter der Federführung des Finanzausschusses übergeben. 

SPD und Union hatten Ende Juni einen Entwurf des Gesetzes (19/11086) zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung vorgestellt. Laut des Entwurfs sollen Städte und Gemeinden die Möglichkeit erhalten, einen erhöhten, einheitlichen Hebesatz auf baureife Grundstücke zu erheben. Das Ziel dieser Änderung ist es, den Kommunen zu ermöglichen, steuerliche Anreize für eine schnellere Bebauung von Grundstücken zu setzen.

Dem zweiten Gesetzentwurf (19/11085) der Koalitionsfraktionen zur Reform des Grundsteuer- und des Bewertungsrechts zufolge richtet sich die Grundsteuer künftig nicht nur nach dem Bodenwert, sondern auch nach Erträgen wie Mieteinnahmen. 

Laut des dritten Gesetzentwurfs (19/11084) soll das Grundgesetz geändert werden (Artikel 72, 105 und 125b). Demnach soll der Bund uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer erhalten. Zugleich wird den Ländern über eine Ergänzung in Artikel 72 Absatz 3 des Grundgesetzes eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eingeräumt. Diese wird den Ländern erlauben, von den eigentlich vereinbarten Regelungen zur Berechnung der Grundsteuer individuell abzuweichen.

Am 11. September 2019 finden zwei öffentliche Anhörungen im Finanzausschuss statt. Auf der Tagesordnung stehen sowohl die Reform der Grundsteuer selbst als auch die Einführung der Öffnungsklausel für die Bundesländer. Als erster Zeitpunkt für die Feststellung der Grundsteuerwerte nach den neuen Bewertungsregeln ist der 1. Januar 2022 vorgesehen.

Kapitalmarktunion: Europäischer Rat legt Standpunkt zu einem erleichterten Zugang zu Crowdfunding fest

Am 26. Juni 2019 hat der Europäische Rat seine Beratungen über den von der Europäischen Kommission im März 2018 veröffentlichten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische Crowdfunding-Dienstleister (ECSP) für Unternehmen abgeschlossen. Es ist Teil des Fintech-Aktionsplans der Kommission. 

Damit reagiert der Europäische Rat auf den Harmonisierungsvorschlag der Europäischen Kommission und ermöglicht die abschließenden Diskussionen mit dem Europäischen Parlament, einen neuen Rechtsrahmen für den Betrieb von Crowdfunding-Plattformen in der gesamten Europäischen Union festzulegen.

Ziel der neuen Regelung ist es, den Crowdfunding-Plattformen zu erleichtern, ihre Dienste in der gesamten EU bereitzustellen. Sie strebt eine Harmonisierung der Mindestanforderungen an diese Plattformen an, wenn sie in ihrem Heimatmarkt und anderen EU-Ländern tätig sind.

Nach dem Standpunkt des Rates wird der neue Rahmen die Hindernisse für grenzüberschreitend tätige Crowdfunding-Plattformen beseitigen. Darüber hinaus zielt dieser darauf ab, maßgeschneiderte Regeln für EU-Investitionen und kreditbasierte Crowdfunding-Unternehmen zu schaffen. Darüber hinaus wird dieser Rahmen ein gemeinsames Set von Aufsichts-, Informations- und Transparenzanforderungen enthalten, um ein hohes Anlegerschutzniveau zu gewährleisten und gemeinsame Genehmigungs- und Aufsichtsregeln für die zuständigen nationalen Behörden festzulegen.

Das Europäische Parlament hat seinen Standpunkt in erster Lesung am 27. März 2019 festgelegt. Beide Gesetzgeber sind nun in der Lage, Trilogverhandlungen aufzunehmen. Triloge sind informelle, dreiseitige Sitzungen über Legislativvorschläge zwischen Vertretern des Europäischen Parlaments, des Rates der Europäischen Union und der Europäischen Kommission mit dem Ziel, eine vorläufige Einigung über einen Text zu erzielen, der sowohl für den Rat als auch für das Parlament akzeptabel ist.

Nach der Annahme auf EU-Ebene wird die neue Verordnung es den Plattformen ermöglichen, einen EU-Pass zu beantragen, der auf einem einzigen Regelwerk basiert.

Current calls for feedback

 

  Beide Feedbackaufforderungen sind Teil der Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion (DG FISMA), der Generaldirektion Umwelt (DG ENVI), der Generaldirektion Klimaschutz (DG CLIMA) und der Generaldirektion Energie (DG ENER), die sich mit nachhaltiger Finanzwirtschaft befassen und für die die Europäische Kommission eine spezielle technische Expertengruppe (TEG) eingerichtet hat. 

Anastasia Kotovskaia ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im SAFE Policy Center und arbeitet derzeit an einer rechtswissenschaftlichen Promotion an der Goethe-Universität. 

Iva Vacheva-Spanidis ist Koordinatorin im SAFE Policy Center und hat einen Master in Governance and Public Policy der TU Darmstadt.