Am Ende jedes Monats stellt das SAFE Regulatory Radar eine Auswahl wichtiger Neuigkeiten und Entwicklungen im Bereich der Finanzregulierung auf nationaler und EU-Ebene zusammen.
Digitales Finanzwesen: Endgültige Einigung über die Verordnung über Kryptowerte
Am 30. Juni 2022 haben sich der Ratsvorsitz und das Europäische Parlament zur Verordnung über Kryptowerte („Regulation on Markets in Crypto-Assets”, MiCA) geeinigt. Der ursprüngliche Vorschlag vom 24. September 2020 war Teil des Pakets zur Digitalisierung des Finanzwesens, das zudem einen Regelungsrahmen für die digitale Betriebsstabilität („Digital Operational Resilience Act“, DORA) sowie eine Pilotregelung für auf Distributed-Ledger-Technologie (DLT) basierende Marktinfrastrukturen umfasst. Durch einen einheitlichen aufsichtsrechtlichen Rahmen für Kryptowerte, deren Emittenten sowie Dienstleistungsanbietende soll MiCA für Rechtssicherheit auf dem europäischen Markt sorgen. Darüber hinaus soll die Verordnung den Anlegerschutz verbessern, finanzielle Stabilität garantieren und dem Missbrauch von Kryptowerten vorbeugen.
Die meisten Arten von Kryptowerten, die in der EU bisher nicht reguliert wurden, wie vermögenswertbezogene, Utility- oder E-Geld-Token, fallen nun in den Anwendungsbereich von MiCA. Allerdings reguliert MiCA keine Kryptowerte, die von Zentralbanken oder anderen öffentlichen Behörden ausgegeben worden sind. In der finalen Verhandlungsrunde wurden außerdem Non-Fungible Tokens (NFTs) von MiCA ausgeschlossen. Die Endfassung der Verordnung sieht für sogenannte „Stablecoins”, die an einen Vermögenswert und/oder Währungskorb gebunden sind oder algorithmische Stabilisierungsmethoden verwenden, strengere Anforderungen vor, insbesondere mit Blick auf eine Mindestliquidität. Jüngste Entwicklungen auf den Stablecoin-Märkten, wie die Einführung von „TerraUSD“, einem algorithmischen Stablecoin, der an den US-Dollar gekoppelt ist, haben die wachsenden Risiken gezeigt, denen der Markt und die Finanzstabilität bei mangelnder Regulierung ausgesetzt sind.
Erwähnenswert ist die von den USA erst kürzlich begonnene Ausarbeitung einer einheitlichen staatlichen Herangehensweise an die Krypto-Aufsicht, nachdem der Präsident im März 2022 einen exekutiven Beschluss zur Gewährleistung einer verantwortungsvollen Entwicklung von digitalen Vermögenswerten erlassen hatte. Gemäß MiCA stehen die Emittenten von signifikanten Stablecoins unter der direkten Aufsicht der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Personen, die Stablecoins halten, dürfen zu jeder Zeit und kostenfrei die Auszahlung durch die Emittenten verlangen. Zu den Potenzialen von BigTech auf dem Markt für Kryptowährungen angesichts MiCA erörtert SAFE Policy Letter No. 97, inwiefern die jüngsten aufsichtsrechtlichen Entwicklungen auf die finanziellen, wettbewerblichen und geldrechtlichen Aspekte eingehen, wenn Tokens durch BigTech eingeführt werden.
Um auf dem EU-Markt tätig zu sein, unterliegen Anbieter von Kryptodienstleistungen („crypto-asset service providers“, CASPs) Genehmigungspflichten. Zugelassene Dienstleister dürfen eine breite Produktpalette anbieten, darunter die Aufsicht über, Verwaltung, Austausch, Abgabe, Ausführung und Übermittlung von Aufträgen für Kryptowerte. Im Bereich Anlegerschutz macht MiCA Kryptodienstleister für Wertminderungen oder den Verlust der Kryptowerte der Investierenden haftbar. Bei Nachhaltigkeitsaspekten müssen die Emittenten von Kryptowerten Daten zu Umwelt- und Klima-Fußabdruck offenlegen. Um Geldwäsche vorzubeugen, wird die EBA ein öffentlich zugängliches Register von nicht-konformen Kryptodienstleistern unterhalten.
Das Europäische Parlament und der Rat der EU werden den vereinbarten Text förmlich genehmigen. MiCA tritt voraussichtlich zum Jahresende 2023 in Kraft.
Nachhaltige Finanzen: Einigung über neue Vorschriften bei der Berichterstattung zu gesellschaftlichen und Umweltbelangen großer Unternehmen
Am 21. Juni 2022 haben sich der Rat und das Europäische Parlament hinsichtlich der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen („Corporate Sustainability Reporting Directive“, CSRD) geeinigt. Die Details zu dem ursprünglichen CSRD-Vorschlag, der vorschreibt, welche Angaben zu Umwelt-, Sozial-, und Unternehmensführungsaspekten („environmental, social, and governance“, ESG) große Unternehmen und börsennotierte kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) berichten müssen, wurden im SAFE Regulatory Radar im Mai 2021 dargelegt. Die jüngsten Überarbeitungen der Richtlinie sollen garantieren, dass die Anforderungen an die Berichterstattung für alle Finanzmarktakteure klar verständlich sind und eine bessere Überprüfung von Fortschritten für Klima, Biodiversität und Menschenrechte gewährleisten.
Die neuen Offenlegungsstandards basieren auf doppelter Wesentlichkeit und berücksichtigen sowohl den Unternehmenseinfluss auf den Planeten als auch die Risiken und Möglichkeiten, die Firmen aus Nachhaltigkeitsangelegenheiten entstehen. Um die hohe Qualität der veröffentlichten Daten sicherzustellen, muss die Berichterstattung unabhängig geprüft und zertifiziert werden. Ursprünglich hätte CSRD bis zum Jahresende 2023 in nationales Recht überführt werden müssen. Allerdings beinhaltet die Einigung eine Aufschiebung auf das Jahr 2024 für Unternehmen, die bereits unter die EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (EU Non-Financial Reporting Directive) fallen, für weitere große börsennotierte oder nicht-börsennotierte Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten auf 2025, und auf 2026 für börsennotierte KMU, kleine und nicht-komplexe Kreditinstitutionen und firmeneigene Versicherungsunternehmen.
Nach offizieller Verabschiedung haben die Mitgliedsstaaten Maßnahmen zu ergreifen, um die Richtlinie in nationales Recht zu überführen. Die Europäische Finanzberichterstattungsgruppe („European Financial Reporting Group“, EFRAG) wird als zuständige Behörde für die Festlegung der Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verantwortlich sein. Die ersten Standards werden voraussichtlich im November 2022 veröffentlicht.
Um weltweit einheitlich bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgehen zu können, müssen die Koordinierung und Zusammenarbeit bei der Festlegung von Standards ausgeweitet werden. Am 12. Juli 2022 haben Finanz-, Klima- und Rechtswissenschaftlicher:innen bei der von SAFE mitorganisierten ersten Sustainability Standards Watchers Conference relevante praktische Fragen bei der Sammlung und Offenlegung von Daten diskutiert sowie den derzeitigen Stand von Nachhaltigkeitsstandards ausgewertet.
Marktmissbrauch: Neue Vorschriften für Liquiditätsverträge
Am 13. Juli 2022 hat die Europäische Kommission eine delegierte Verordnung zur Ergänzung der Marktmissbrauchsverordnung („Market Abuse Regulation“, MAR) verabschiedet, die technische Regulierungsstandards für eine Liquiditätsvertragsvorlage für Emittenten von Aktien enthält, deren finanzielle Instrumente für den Handel auf einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind. Die Regulierungsstandards sollen gerechte Bedingungen für KMU-Emittenten schaffen, um Liquiditätsverträge einzugehen. Im Detail geben die Standards die Anforderungen vor, an die sich Parteien eines Liquiditätsvertrages halten sollen, darunter die Eröffnung eines Liquiditätsaccounts, die Beschränkung der maximalen Anzahl von Ressourcen, die dem Liquiditätsaccount zugeordnet werden können, sowie die Verpflichtung des Liquiditätsdienstleiters zum gerechten und unabhängigen Handeln. Weitere Vorschriften betreffen die Gebührenstruktur, die Vergütung, und Transparenzanforderungen. Diese verpflichtende Verordnung tritt am zwanzigsten Tag infolge ihrer offiziellen Veröffentlichung in Kraft.
Öffentliche Konsultationen:
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Anastasia Kotovskaia ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am SAFE Policy Center und promoviert derzeit in Rechtswissenschaften an der Goethe-Universität.