SAFE Finance Blog
18 Dec 2019

Das SAFE Regulatory Radar im Dezember

Die EZB will Klimawandel in ihre Modelle aufnehmen, politische Einigung über die Taxonomie-Verordnung und weitere Themen: eine Auswahl regulatorischer Entwicklungen aus diesem Monat

Am Ende jedes Monats stellt das SAFE Regulatory Radar eine Auswahl wichtiger Neuigkeiten und Entwicklungen im Bereich der Finanzregulierung auf nationaler und EU-Ebene zusammen.

Finanzaufsicht: Der Rat der EU stimmt einer Überprüfung des Aufsichtsrahmens für Finanzinstitute zu

Am 2. Dezember 2019 hat der Rat der EU eine erste grundlegende Überprüfung der Funktionsweise des Europäischen Systems der Finanzaufsicht (ESFS) verabschiedet.

Das ESFS wurde 2011 eingerichtet und umfasst die drei europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs): die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) sowie die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). Zum ESFS gehört auch der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB), der für die makroprudenzielle Aufsicht des gesamten EU-Finanzsystems zuständig ist. 

Die Hauptbereiche des Vorschlags zur Änderung der Verordnungen zur Errichtung der ESA betreffen das Mandat, die Leitung und die Finanzierung der ESAs.

Was den Geltungsbereich der Mandate der Behörden anbelangt, so weist der Vorschlag den ESAs eine formelle Rolle bei der laufenden Überwachung des Äquivalenzprozesses zu und verbessert ihre Fähigkeit, die korrekte Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen. Darüber hinaus überträgt er den ESAs Aufsichtsbefugnisse in Feldern mit überwiegend Drittlands- oder grenzüberschreitender Relevanz.

In Bezug auf die innere Steuerung sieht der Vorschlag neben den zuständigen nationalen Behörden auch unabhängige, stimmberechtigte Mitglieder im Entscheidungsprozess vor. Es führt auch ein neues Ernennungsverfahren und eine verbesserte Stellung des Vorsitzenden ein. Darüber hinaus ersetzt der Vorschlag die Geschäftsführung durch einen unabhängigen Vorstand, der sich aus extern bestellten Vollzeitmitgliedern zusammensetzt.

Bei der Finanzierung wird der derzeitige jährliche Beitrag der EU zum Haushalt der ESA-Institutionen beibehalten. Der Änderungsvorschlag ersetzt jedoch die Restfinanzierung der zuständigen nationalen Behörden durch Beiträge aus dem Privatsektor.

Das neue Gesetz führt zudem gezielte Änderungen ein beim Mandat des Vorsitzenden, der Zusammensetzung und der Funktionsweise des ESRB-Sekretariats, der Zusammensetzung des ESRB sowie den Adressaten von Warnungen und Empfehlungen des ESRB.

Das Regelwerk soll noch im Dezember in Straßburg förmlich unterzeichnet und bis Ende des Jahres im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden.

Geldpolitik: EZB will Klimawandel in ihre makroökonomischen Modelle aufnehmen

Christine Lagarde ist seit dem 1. November 2019 Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB). Erstmals in ihrer neuen Funktion war sie zu einer Anhörung beim Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments geladen.

In Reaktion auf Lagardes jüngste Äußerungen zum Thema wurden während der Anhörung wiederholt Fragen dazu gestellt, wie die EZB auf die Bedrohung durch den Klimawandel reagieren wird. Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) aus dem gesamten politischen Spektrum wollten wissen, inwiefern die EZB Maßnahmen zum Klimawandel in ihre Geldpolitik einbeziehen könnte und ob die Zentralbank die Unterstützung nicht nachhaltiger Unternehmen durch ihr Wertpapieraufkaufprogramm einstellen wird.

Im Gegensatz zu anderen Notenbankern fordert Christine Lagarde, den Klimawandel in die Wirtschafts- und Risikoanalysen der EZB und damit in ihre Geldpolitik aufzunehmen. Bei der Anhörung unterstrich Lagarde, dass die Klimaproblematik zwar dem Primat der Preisstabilität unterliege, aber in die makroökonomischen Modelle der EZB einbezogen und bei der Risikobewertung und Aufsicht von Banken im Euroraum berücksichtigt werden solle. Die strategische Überprüfung, die die EZB unter Lagardes Führung durchführen wird, wird diese Fragen daher abdecken. 

Sie erinnerte die Europaabgeordneten auch daran, dass die EZB der Hauptabnehmer von Anleihen der Europäischen Investitionsbank sei, die sich zum Ausstieg aus Investitionen in fossile Brennstoffe verpflichtet hat.

Nachhaltige Finanzwirtschaft: Einigung über die Taxonomie-Verordnung

Nach der fünften Runde der politischen Verhandlungen haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union am 5. Dezember 2019  eine Einigung über den Vorschlag für eine Taxonomie-Verordnung erzielt. Die Taxonomie stellt ein Rechtsinstrument der Kapitalmarktunion dar, das ein Klassifikationssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten festlegt, die technische Evaluierungskriterien erfüllen. Ein entsprechender Test würde mit der vorgeschlagenen Verordnung eingeführt werden. 

Das Parlament und der Rat haben sich darauf geeinigt, dass der Anwendungsbereich der Taxonomie nicht für alle Finanzprodukte gilt, sondern nur für solche, die zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit beitragen. Zuvor hatte das EU-Parlament die Idee eines erweiterten Anwendungsbereichs für die gesamte Bandbreite von Finanzprodukten befürwortet.

Es wird drei Kategorien von Finanzprodukten geben: „Green“ für uneingeschränkt umweltfreundliche Investitionen und zwei Kategorien – „Transition“ und „Enabling“ – für Produkte, die nicht alle Kriterien erfüllen, aber zur Klimaneutralität beitragen können. Darüber hinaus sieht der zweite Kompromiss vor, dass die Europäische Kommission Maßnahmen zur Umsetzung der technischen Screening-Kriterien erlässt. Diese legen fest, wie eine „nachhaltige Wirtschaftstätigkeit“ definiert wird, wobei die Mitgliedstaaten nur begrenzt einbezogen werden. Schließlich wurde vereinbart, dass die Taxonomie-Verordnung ab Dezember 2021 gelten soll. 

Das Abkommen ist bisher vorläufig und bedarf noch der Zustimmung der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments.

Kapitalmarktunion: Der Rat der EU gibt Standpunkt zur Sanierung und Abwicklung zentraler Gegenparteien bekannt

Am 4. Dezember 2019 hat der Rat der EU seinen Standpunkt zu einem Gesetzesvorschlag für Clearingstellen und die zuständigen Behörden festgelegt. Der Rat nahm keine Änderungen am Vorschlag vor und ist nun bereit, weitere Verhandlungen mit dem EU-Parlament aufzunehmen. Der Rat schlug jedoch vor, dass die neuen Rechtsakte zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten angewendet werden sollen. Dies soll den Mitgliedstaaten und Marktteilnehmern genügend Zeit geben, alle Maßnahmen umzusetzen und einzuhalten. Die Gesetzesreform zielt darauf ab, die kritische Funktion der zentralen Gegenparteien (CCPs) zu erhalten und die nationalen Behörden mit geeigneten Instrumenten zur Bewältigung von Krisen auszustatten.

Der Position des Rates basiert auf einem dreistufigen Ansatz. Erstens muss die neue Gesetzgebung dem Grundsatz der Prävention und Vorbereitung folgen. Zweitens erhalten die Behörden das Recht, frühzeitig einzugreifen. Drittens können die nationalen Behörden im Fall des Ausfalls einer CCP auf Abwicklungsinstrumente zurückgreifen wie die Abschreibung von Eigentumstiteln und die Veräußerung der CCP.

CCPs spielen eine wesentliche Rolle bei der Gewährleistung der Stabilität von Finanzmärkten. Die Schaffung eines europäischen Rechtsrahmens für ihre Sanierung und Abwicklung soll CCPs helfen, Risiken zu managen und ein weniger risikofreudiges Verhalten von CCPs und anderen Marktteilnehmern zu fördern.

Bankenunion: Der Rat der EU billigt Standpunkt zu neuem Verfahren für außergerichtliche Vollstreckung notleidender Kredite

Der Europäische Rat hat am 27. November 2019 eine Stellungnahme zu einem Richtlinienvorschlag für einen gemeinsamen Rahmen und Mindestanforderungen für einen außergerichtlichen Mechanismus für notleidende Kredite (NPLs) veröffentlicht. Der vorgeschlagene Rechtsrahmen zielt darauf ab, den Wert von mit Sicherheiten garantierten Darlehen wiederherzustellen, falls der Kreditnehmer nicht in der Lage ist, diese zurückzuzahlen.

Der Rat stellte fest, dass die vorgeschlagenen Rechtsvorschriften nur für Sicherheiten gelten sollten, die sich im Besitz von Unternehmen befinden. Um den Verbraucherschutz zu gewährleisten, ist geplant, Konsumentenkredite auszuschließen. Dem Standpunkt des Rates zufolge soll der Mechanismus zur außergerichtlichen Vollstreckung von Sicherheiten freiwillig sein. Das bedeutet, dass sich beide Parteien auf die Klausel über die Anwendung dieses Mechanismus einigen müssen. Zudem soll der Gläubiger sollte nicht davon abgehalten werden, andere Durchsetzungsmechanismen zu nutzen, die nach nationalem Recht anwendbar sind.

Im März 2018 hatte die Europäische Kommission ein Gesetzespaket zur Regulierung von notleidenden Krediten vorgeschlagen, das zwei Bereiche abdeckt: die Einführung gemeinsamer Mindestdeckungssätze für neu vergebene Kredite, die notleidend werden und einen effizienten Mechanismus zur außergerichtlichen Verwertung von Kreditsicherheiten. Der Rat hatte seinen Standpunkt zu dem ersten Richtlinienvorschlag am 27. März 2019 festgelegt. Sobald das Europäische Parlament mit diesem Standpunkt einverstanden ist, können weitere Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Parlament aufgenommen werden. 


Anastasia Kotovskaia ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im SAFE Policy Center und arbeitet derzeit an einer rechtswissenschaftlichen Promotion an der Goethe-Universität.

Iva Vacheva-Spanidis ist Koordinatorin im SAFE Policy Center und hat einen Master in Governance and Public Policy der TU Darmstadt.