26 Mar 2015

Warum sich Europa schlechter als die USA entwickelt

In einer SAFE Policy Center Lecture am 25. März ging Lorenzo Bini Smaghi, Vorstandsvorsitzender der Société Générale und ehemaliges Vorstandsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), der Frage nach, weshalb sich die Konjunkturerholung nach der Finanzkrise in der Eurozone im Vergleich zu den USA verlangsamt hat. Gastgeber und Moderator des Vortrags war Hans-Helmut Kotz, Programmdirektor des SAFE Policy Centers.

Bini Smaghi wies darauf hin, dass sich das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in beiden Gebieten zwischen 2007 und 2011 sehr ähnlich entwickelte. Erst seit 2011 würden die Entwicklungen auseinanderlaufen. Laut Bini Smaghi sei das ein Hinweis darauf, dass der Euroraum zu Beginn der Krise sehr gut reagierte habe und erst später etwas falsch gelaufen sei.

Was behindert das Wachstum in Europa?

Eine Hypothese könnte sein, dass die strengen Sparmaßnahmen in Europa das Wachstum erschwerten. Doch während die USA zwischen 2008 und 2011 tatsächlich eine expansivere Fiskalpolitik betrieben, war die Fiskalpolitik seitdem in der Eurozone expansiver. Demnach könne die Austerität nicht das Problem sein, folgerte Bini Smaghi.

Von größerer Bedeutung sei dagegen die Kreditvergabe der Banken. In den USA haben die Banken schon einige Jahre nach der Krise wieder Kredite an den realwirtschaftlichen Unternehmenssektor vergeben und damit eine Kreditklemme verhindert. Im Gegensatz dazu ist die Kreditvergabe in den Euro-Ländern immer noch sehr gering. Grund dafür ist laut Bini Smaghi, dass die Regierungen zu spät auf die Krise reagiert und Banken nur dann mit öffentlichen Geldern gerettet haben, wenn sie systemische Auswirkungen auf den Bankensektor befürchteten. Außerdem seien die Kapitalmärkte in den USA besser entwickelt und hätten ihre Arbeit schon kurz nach Ausbruch der Krise wieder aufgenommen. Der Unternehmenssektor habe so an neues Kapital kommen können, ohne auf die Wiederbelebung des Bankensektors warten zu müssen.

Hinzu komme, dass die langfristigen Zinsen für 10-jährige Anleihen in den USA seit 2011 unter den nominalen BIP-Wachstumsraten lagen, was das Deleveraging erleichtert. Im Euroraum sei das Gegenteil der Fall, sodass der Schuldenabbau nur stockend vorangeht. Die einzige Ausnahme in der Eurozone sei Deutschland. Hier liegen die langfristigen Zinsen aufgrund von hohen Kapitalzuflüssen seit 2011 unter der Wachstumsrate.

Nicht zuletzt habe die amerikanische Notenbank schon 2008 Programme zur quantitativen Lockerung (QE) eingeführt, wohingegen die EZB erst vor kurzem mit ihrem QE-Programm begonnen hat. Bini Smaghi ist der Ansicht, dass das QE-Programm in Europa dringend notwendig sei, aber schon früher hätte kommen müssen, um das Wachstum anzukurbeln.

Bini Smaghi wies darauf hin, dass sich das BIP pro Kopf in Deutschland im Gegensatz zum Rest der Eurozone sogar besser entwickelt hat als in den USA. Das deute darauf hin, dass es strukturelle Probleme in einigen Euro-Ländern gebe und dass Strukturreformen notwendig seien, um diese Länder wieder wettbewerbsfähig zu machen. Reformen, die in einigen Ländern bereits umgesetzt wurden, zeigten bereits Erfolge, so Bini Smaghi. Zum Beispiel werde für Spanien für die nächsten zwei Jahre wieder einen Anstieg des realen pro Kopf BIP prognostiziert.