24 Mar 2014

Vítor Gaspar zieht aus der Finanzgeschichte der USA Schlüsse für Europa

Vítor GasparAm 18. März 2014 hielt Vítor Gaspar, Sonderberater der Banco de Portugal und ehemaliger Finanzminister Portugals, einen Vortrag mit dem Titel „The Making of a Continental Financial System: Lessons from Early American History”. Die Veranstaltung war Teil der Policy Center Vortragsreihe.

In seiner Präsentation untersuchte Vítor Gaspar Antworten von Alexander Hamilton, dem ersten Finanzminister der Vereinigten Staaten (von 1789 bis 1793), auf zeitlose Fragen: Warum müssen öffentliche Schulden beglichen werden? Wie lässt sich eine vertrauensvolle und glaubwürdige  Finanzmarktarchitektur einrichten? Und, schließlich: Wie kann im Falle einer Panik die Stabilität auf den Finanzmärkten wiederhergestellt werden?

Diese grundlegenden Fragen stellen sich heute auch in Europa. Laut Gaspar könne der Rückgriff auf die Geschichte bei der Suche nach Lösungen weiterhelfen. Er brachte seine tiefe Bewunderung für die visionären Vorschläge Hamiltons und dessen enorme Leistung bei der Deeskalation der Finanzpanik von 1792 zum Ausdruck. Hamilton war der intellektuelle Architekt einer stärker zentralisierten Geldkontrolle durch die Bundesregierung, der Gründer der ersten „Bank der Vereinigten Staaten“ und ein Vordenker der “Lender of Last Resort“-Doktrin.

Aus seiner historischen Analyse zieht Gaspar fünf Schlüsse für die aktuellen Herausforderungen. Seine erste Schlussfolgerung ist, dass Fiskalpolitik, Finanzen und politische Auseinandersetzungen eng miteinander verknüpft sind. Die Staatsschuldenkrise in der Eurozone zeige, wie eng die Verbindungen zwischen diesen drei Bereichen sind, sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. Da eine systemische Krise auch systemische Lösungen erfordere, sei es notwendig, politische Maßnahmen in einer integrativen Weise anzuwenden – so wie Hamilton es getan habe.

Als zweite Lektion sprechen viele Gründe dafür, der öffentlichen Kreditwürdigkeit Priorität einzuräumen, öffentliche Schulden zu bezahlen und sich um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Kreditwürdigkeit zu bemühen. Hamiltons Plädoyer dafür habe auf politischen Argumenten beruht: Er betrachtete die Fähigkeit, die Kreditwürdigkeit des Staates aufrecht zu erhalten, als einen konzentrierten Indikator für die Qualität einer Regierung und als Bedingung für politische Stabilität. Er führte auch wirtschaftliche und finanzielle Gründe an: die Folgen für den Fiskus und den Zugang des Landes zu Finanzmitteln mit den entsprechenden Auswirkungen auf Konjunktur und Wachstum.

Gaspars dritte Lektion ist, dass die öffentliche Kreditwürdigkeit auf fiskalischer Nachhaltigkeit gründen muss. Im Falle der USA sei es notwendig gewesen, dass die US-Verfassung die Artikel der Konföderation ersetzte und so die Möglichkeiten der Bundesregierung stärkte. In Europa sei die fiskalische Kontrolle in der Eurozone durch zwei wichtige EU-Rechtsakte („Six-Pack“ und „Two-Pack“) gestärkt worden. Nichtsdestotrotz sei der wichtigste Schritt der Europäische Fiskalpakt gewesen. Er ziele darauf ab, die europäischen Auflagen in nationale Kontrollrahmen zu integrieren. Dies werde entscheidend sein aufgrund des Primats der nationalen Politik.

Die vierte Lektion ist, dass nur aktives und geschicktes Management einen reibungslosen und schnellen Übergang ermöglicht. Dies sei vor allem aufgrund der großen Bedeutung von Wahrnehmungen und Erwartungen so wichtig. Der Übergang müsse so organisiert werden, dass mögliche aber verkehrte Gleichgewichtspfade vermieden werden.

Laut der fünften Lektion, schließlich, müssen – da Missgeschicke immer möglich sind – öffentliche Finanzen und das Finanzsystem robust und widerstandsfähig sein. Die institutionellen Rahmenbedingungen für Haushaltdisziplin und finanzielle Stabilität müssten in einer Weise gestaltet sein, dass sie Episoden finanzieller Panik eindämmen und verkehrte, selbst-erfüllende Gleichgewichte verhindern können.

In den Jahren 2009 und 2010 sei die Eurozone laut Gaspar nicht in der Lage gewesen, finanzieller Fragmentierung und einer negativen Feedback-Schleife zwischen Staaten und Banken vorzubeugen. Seither sei zwar viel erreicht worden, aber es bleibe auch noch sehr viel zu tun. Gaspar beendete seinen Vortrag mit einem Zitat von Hamilton: „Auch wenn Hindernisse und Verzögerungen die Anwendung guter Maßnahmen häufig behindern – sobald diese eingeführt sind, werden sie wahrscheinlich stabil und von Dauer sein. Es ist weitaus schwieriger, etwas rückgängig zu machen, als es einzuführen.“ Laut Gaspar veranschauliche die Situation in den USA damals und in Europa heute die Kraft von Hamiltons Erkenntnissen.