06 Dec 2022

Transformation finanzieren – Forschungsverbund strebt bessere Gestaltung von nachhaltigen Finanzprodukten an

Die Universitäten Bochum und Münster, der Sustainable Finance Think Tank Climate & Company und das Leibniz-Institut SAFE entwickeln zusammen mit Fachleuten Ecolabels, um Anleger:innen die Entscheidung über Investitionen zu erleichtern, die die Transformation der Wirtschaft unterstützen

Bislang haben sich die nachhaltige Finanzwirtschaft und ihre Instrumente, wie etwa grüne Investitionsfonds, in erster Linie auf die Finanzierung von Wirtschaftstätigkeiten konzentriert, die bereits als “grün” gelten, wie Technologien für erneuerbare Energien. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erfordert allerdings nicht nur die Skalierung von „grünen“ Wirtschaftsaktivitäten, sondern auch die Dekarbonisierung von emissionsintensiven Sektoren. Der Finanzsektor spielt bei der Unterstützung dieser Transformation eine zentrale Rolle.

Ein wichtiger Schritt zur Lenkung von Finanzströmen ist ein besseres Verständnis davon, welche Unternehmen einen verlässlichen und ambitionierten Transformationspfad verfolgen. So ist unter anderem zu untersuchen, anhand welcher Indikatoren Investor:innen einschätzen können, ob das selbst gesetzte Ziel von „Klimaneutralität bis 2050“ eines Unternehmens ausschließlich ein Lippenbekenntnis oder ein ernst zu nehmendes Vorhaben darstellt. Genau diesen Schritt will das Verbundprojekt „ClimLabels: Transformationslabels in der Klimafinanzierung“ möglich machen. Beteiligt sind an dem Forschungsverbund ein Team der Ruhr-Universität Bochum (RUB) unter Leitung des Umweltökonomen Andreas Löschel, die Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU) um den Verhaltensökonomen Markus Dertwinkel-Kalt, der Sustainable Finance Think Tank Climate & Company um EU- und Sustainable-Finance-Experten Ingmar Jürgens, sowie das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE um die Finanzökonomin Christine Laudenbach.

Um klimabezogene Informationen für Investitionsentscheidungen besser verfügbar zu machen, wollen die Wissenschaftler:innen gemeinsam sogenannte Ecolabels für Finanzprodukte entwerfen, also eine Art Gütesiegel, das Investor:innen Auskunft über die Nachhaltigkeit von Anlageprodukten gibt. „Klimalabels sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Kapital sinnvoll eingesetzt und in umweltfreundlichere Anlagen umgeschichtet werden kann“, sagt Andreas Löschel, „das trägt wesentlich zur Finanzierung der Transformation hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft bei.“

Anreize zur CO2-Reduktion schaffen

Ziel des ClimLabels-Projekts ist es, Anreize für CO2-Reduktionen zu entwickeln, die auf robusten Transformationsindikatoren aufbauen, abgestimmt mit den Anforderungen von Finanzexpert:innen. „Diese Indikatoren können für die Zusammensetzung nachhaltiger Finanzprodukte und Labels verwendet werden und sind wichtig dafür, wie Investorinnen und Investoren, Händlerinnen und Händler sowie Fondsmanagerinnen und Fondsmanager ihre Anlageentscheidungen treffen“, ergänzt Christine Laudenbach von SAFE.

Um dieses Ziel zu erreichen, strebt der Forschungsverbund ein umfassendes und besseres Verständnis der Metriken an, auf denen die Transformationsindikatoren und Ecolabels aufbauen. „Das würde nicht nur Praktikerinnen und Praktikern helfen, Finanzprodukte zu entwickeln, sondern auch Rating-Agenturen dabei unterstützen, entsprechende Scores und Rating-Methoden zu erarbeiten. Zugleich wäre es für politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger leichter, neue Instrumente zu entwerfen und bestehende anzupassen, die die Finanzierung und Investitionen von Unternehmen im Wandel erleichtern und zur Klimaneutralität anreizen“, so Markus Dertwinkel-Kalt.

Hohe politische Relevanz

Die hohe politische Relevanz wird ebenso von Ingmar Jürgens hervorgehoben: „Transition finance ist sowohl in der EU als auch in der G20, G7 oder der International Platform on Sustainable Finance (IPSF) ganz oben auf der Tagesordnung. Wie am besten erfasst werden kann, ob ein Unternehmen sich auf einem glaubhaften Transformationspfad befindet, spielt dabei auch eine große Rolle bei der Erstellung von Offenlegungsvorschriften oder der Entwicklung von green transition bonds. Die Ergebnisse aus unserem Projekt werden einen wertvollen Beitrag für diese Diskussion leisten“.

Zum besseren Verständnis von Metriken und Indikatoren sollen im Projekt empirische Analysen zur Erklärungskraft, eine Konfiguration von Ecolabels sowie Laborexperimente und Feldstudien zu individuellen Entscheidungen und Marktverhalten durchgeführt werden. Die RUB übernimmt dabei für das ClimLabels-Projekt die Leitung als Koordinator, wirkt an der Gestaltung von Labels sowie dem Design und der Umsetzung von Laborexperimenten und der Entwicklung eines Feldexperiments mit. SAFE ist innerhalb des Projekts für Design, Programmierung, Durchführung und Auswertung der Feldexperimente mit Bankkund:innen zuständig.

Climate & Company stellt die Abstimmung mit relevanten Arbeitsgruppen auf nationaler und europäischer Ebene sicher, analysiert ökonometrisch die Aussagekraft von Transformationsindikatoren und konstruiert darauf aufbauend potenzielle Transformationslabels und -fonds. Die WWU koordiniert und verantwortet die Umsetzung sowie Erhebung der Laborexperimente und wird bei der Designentwicklung für die Feldexperimente verantwortlich mitwirken. Das Forschungsprojekt wird über die Initiative „Klimaschutz und Finanzwirtschaft (KlimFi)“ der Förderstrategie „Forschung für Nachhaltigkeit – FONA“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und wird für eine Dauer von drei Jahren bezuschusst.


Wissenschaftlicher Kontakt

Prof. Dr. Christine Laudenbach

Direktorin Forschungsabteilung "Household Finance"