08 Dec 2017

SAFE Policy Lecture: Wie kann inklusives Wachstum gelingen?

Tharman Shanmugaratnam, stellv. Premierminister von Singapur, plädiert für eine neue wirtschaftspolitische Strategie

Soziale Ungleichheit gilt als die Kehrseite der Globalisierung. Die Bekämpfung dieser Ungleichheit und die Förderung eines inklusiven, nachhaltigen und ausgewogenen wirtschaftlichen Wachstums ist spätestens seit dem G20-Gipfel im Juli dieses Jahre erklärtes Ziel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Wie „inklusives Wachstum“ konkret aussehen kann, erläuterte Tharman Shanmugaratnam, stellvertretender Premierminister von Singapur, vor 200 geladenen Gästen auf einer Policy Lecture am 5. Dezember in Frankfurt, zu der SAFE, das Center for Financial Studies und die Deutsche Bundesbank eingeladen hatten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann wies in seiner Begrüßungsrede darauf hin, dass Ungleichheit hinderlich für den Wachstumsprozess sein könne. Eine wesentliche Herausforderung sei daher die richtige Kalibrierung der Wachstumspolitik. In seiner anschließenden Rede forderte Tharman mehr staatliche Initiative. Länderübergreifend nehme in der Bevölkerung das Gefühl zu, dass sich die soziale Ungleichheit verstärke und der Optimismus, dass es die eigenen Kinder einmal besser haben würden, nehme ab. Sorgen bereiten Tharman auch die zurückgehende Bereitschaft zu Solidarität und nationalistische Strömungen in Europa und in den USA.

Die Dinge dem Markt zu überlassen, sei ebenso wenig eine tragfähige Strategie wie der Kollektivismus oder eine permanente Umverteilung. „Wir brauchen einen Geist der Erneuerung, eine neue Strategie“, forderte Tharman. Insbesondere bei der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, sozialer Mobilität und Integration solle der Staat eine Leitfunktion übernehmen.

Eine der wesentlichen Ursachen für soziale Stagnation und Frustration liegt nach Ansicht des singapurischen Vize-Premierministers im schwachen Produktivitätswachstum. Ziel müsse es sein, mehr Dynamik zu erzeugen und den strukturellen Wandel zu beschleunigen. Arbeitnehmer aus wachstumsschwachen Branchen sollte der Wechsel in Brachen mit Zukunft erleichtert werden. Dem lebenslangen Lernen komme dabei eine zentrale Bedeutung zu. „Partnerschaften zwischen Bildungsinstituten und Firmen können einen wichtigen Beitrag leisten, um die Menschen auf die zukünftigen Anforderungen der Arbeitswelt vorzubereiten“, sagte Tharman.

Auch für die soziale Mobilität spiele Bildung eine zentrale Rolle. Kinder, deren Eltern über die Möglichkeiten verfügten für eine gute Ausbildung zu sorgen, verschafften sich schon früh Vorteile. Daher sei es wichtig, Eltern, denen solche Mittel nicht zur Verfügung stünden, zu unterstützen. Dies beginne bereits bei der frühkindlichen Bildung. Weiterhin plädierte Tharman für eine umsichtige Stadtplanung, die Ghettos vermeide und Nachbarschaften mit sozialer Durchmischung fördere. „Wenn es uns nicht gelingt, soziale Mobilität zu ermöglichen, werden wir dauerhaft auf Umverteilung angewiesen sein.“ Gemischte Nachbarschaften und Schulen ermöglichten den sozialen Aufstieg und erleichterten die Integration von Menschen mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund.

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