16 Dec 2021

Risiken auf dem Immobilienmarkt und im Nicht-Bankensektor für die Finanzstabilität

EZB-Finanzstabilitätsbericht: Das europäische Finanzsystem verkraftet den akuten Schock der Coronapandemie, steht nun vor neuen Herausforderungen

Europas Finanzsystem kommt bisher zwar gut durch die Coronapandemie und die damit verbundene Krise. Jedoch bauen sich durch Faktoren wie hohe Schuldenstände und steigende Energiepreise in bestimmten Sektoren Risiken auf, die mittelfristig Folgen für die Finanzmarktstabilität haben können. Welche Bereiche betroffen sind, legte John Fell, stellvertretender Direktor der Generaldirektion Makroprudenzielle Politik und Finanzstabilität bei der Europäische Zentralbank (EZB) in einem SAFE-CEPR Policy Web Seminar am 1. Dezember dar, das von Loriana Pelizzon, Leiterin der SAFE-Forschungsabteilung „Financial Markets“ moderiert wurde.

Zweimal jährlich veröffentlicht EZB den Finanzstabilitätsbericht („Financial Stability Review“, FSR). Zweck des Berichts ist es, dem Finanzsektor und der Öffentlichkeit einen Überblick über potenzielle Risiken für die Finanzmarkstabilität im Euroraum geben. John Fell präsentierte als einer der Autoren die Mitte November veröffentlichten FSR-Ergebnisse.

Laut FSR haben sich im Euroraum viele Wirtschaftssektoren vom Schock der Coronapandemie erholt. Auch der Finanzmarkt sei stabil geblieben: „Die Resilienz des Finanzsystems wurde getestet und hat im Kern erwiesen, die kurzfristigen Auswirkungen des Coronaschocks zu verkraften.“, sagte Fell. Jedoch gebe es durch Unterbrechungen von Lieferketten, steigende Energiepreise und die derzeit historisch hohe Inflation einige Faktoren, die den wirtschaftlichen Aufschwung verlangsamen könnten. Auch die Omikron-Variante des Coronavirus sei eine nicht berechenbare Herausforderung, die der Bericht nicht mehr berücksichtigen konnte. 

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„Die Eigenkapitalrenditen von Banken befinden sich mehr oder weniger wieder auf Vor-Krisenniveau“, erklärte Fell. Hingegen bleibe die geringe Profitabilität eine Herausforderung für europäischer Banken. Während sich der Bankensektor positiv entwickelt, werden auf dem Wohnungsmarkt und dem Nicht-Bankensektor Schwachstellen sichtbar. 

Große Risiken haben sich auf dem Markt für Wohnungsimmobilien herausgestellt. „In diesem Sektor haben wir vermutlich die größte Kurskorrektur im Bericht vorgenommen“, so Fell. Die Hauspreise seien im Euroraum um 7,3 Prozent im zweiten Halbjahr 2021 gestiegen. „Das ist der schnellste Anstieg seit dem Jahr 2005“, erklärte der Zentralbankvertreter. Sowohl Hauskredite als auch Hauspreise nähmen zu, während Vergabestandards der Kredite möglicherweise gelockert werden. Fell warnte: „Wenn uns die Finanzgeschichte etwas gelehrt hat, dann, dass Anzeichen für eine Lockerung der Kreditstandards auf den Hypothekenmärkten oft ein Vorbote für Überschwang waren.“

Finanzstabilitätspolitik braucht neue Richtung

Außerdem stellt der Bericht fest, dass Nicht-Banken, insbesondere Investmentfonds, höhere Risiken in ihren Portfolios eingehen. Wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechtern, könnten mögliche Zinsschocks zu erheblichen Verlusten führen, heißt es im aktuellen FSR. Die Finanzstabilitätspolitik sollte laut Fell allmählich weg von kurzfristigen Unterstützungen auf die mittelfristigen Herausforderungen ausgerichtet werden. Er betonte „Das schrittweise Vorgehen ist nach wie vor gerechtfertigt, nicht zuletzt, um einer wirtschaftlichen Erholung einen Vorsprung zu verschaffen“. Insbesondere die Schwierigkeiten auf den Wohnimmobilienmärkten müssten verringert werden. Darüber hinaus müsse der regulatorischen Rahmen für den Finanzsektor verbessert werden, einschließlich der vollständigen Umsetzung der Basel-III-Reformen und einem stärkeren politischen Rahmen für den Nicht-Bankensektor.