16 Nov 2022

Rechtspopulistische Parteien profitieren von Schulden privater Haushalte

Auf eine Finanzkrise folgen oft eine politische Polarisierung und ein verstärkter Zuspruch für populistische Parteien

Eine Finanzkrise zieht häufig eine politische Polarisierung und einen verstärkten Zuspruch rechtspopulistischer Parteien nach sich. Viele Krisen sind mit erheblichen finanziellen Schwierigkeiten privater Haushalte, insbesondere Schuldner:innen, verbunden. Die Wissenschaftler Győző Gyöngyösi vom Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE und sein Co-Autor Emil Verner vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) untersuchen in ihrer im Journal of Finance veröffentlichten Forschungsarbeit „Financial Crisis, Creditor-Debtor Conflict, and Populism“, wie sich die Notlage von Schuldner:innen auf die Unterstützung für die rechtsextreme, populistische Jobbik-Partei in Ungarn auswirkt. Deren Stimmenanteil stieg nach der ungarischen Haushaltsschuldenkrise im Jahr 2008 von 2,6 Prozent auf 16 Prozent an.  

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass finanzielle Notlagen von Haushalten zu einem signifikanten und anhaltenden Anstieg der Unterstützung für eine populistische, rechtsextreme Partei führen“, sagt Gyöngyösi und fügt hinzu: „Populistische politische Bewegungen können ihrerseits einen Schuldenerlass für Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer als Teil ihres politischen Programms vermarkten.“

Um einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Schuldenschock privater Haushalte und der Wahl einer populistischen Partei herzustellen, verwenden die Autoren als Datengrundlage eine weit verbreitete Kreditaufnahme in Schweizer Franken, während die heimische ungarische Währung Forint stark und unerwartet abwertete. Die Währungskrise im Jahr 2008 führte dazu, dass die Kreditraten von Haushalten mit Fremdwährungskrediten stiegen, nicht aber die von Haushallten mit Krediten in der Landeswährung. Die Autoren konzentrieren sich bei ihrer Auswertung darauf, dass die Schwankungen bei der Fremdwährungsverschuldung auf eine politische Kursänderung zurückzuführen sind, die ein Zinssubventionsprogramm für Hypothekenkredite in Landeswährung einschränkte.

Wählerstimmen durch Pro-Schuldner-Rhetorik

Durch die Kombination von administrativen Daten aus dem Haushaltskreditregister und Wahlergebnissen stellen die Autoren fest, dass der Schock über die Fremdwährungsverschuldung der Haushalte den Anteil der rechtspopulistischen Wähler signifikant erhöht – ein Effekt, der über mehrere Wahlen nach der Krise hinweg anhält.

Um zu verstehen, warum notleidende Schuldner:innen eine populistische Partei gewählt haben, ergänzen die Autoren ihre primäre Analyse durch zusätzliche narrative Belege. Die Textanalyse parlamentarischer Reden zeigt, dass rechtsextreme Redebeiträge eher eine schuldnerfreundliche Rhetorik verwenden, den Schuldenerlass betonen und internationale Banken, den Internationalen Währungsfonds und etablierte Parteien für die finanzielle Notlage von Fremdwährungsschuldnern verantwortlich machen. Die schuldnerfreundliche Haltung der Populist:innen passt zu ihrem breiteren (rhetorischen) Anspruch, für „das Volk“ und gegen „die Elite“, „die Banker“, und den „internationalen Finanzkapitalismus“ zu sprechen.

"Financial Crisis, Creditor-Debtor Conflict, and Populism" zum Download


Wissenschaftlicher Kontakt

Gyozo Gyöngyösi, Ph.D.

Advanced Researcher