25 Jan 2021

Problemkredite brauchen passgenaue Politiklösungen

Internationales Team von Finanzökonomen:innen rund um SAFE vergleicht und bewertet politische Maßnahmen, um Europas Banken in Coronazeiten krisenfester zu machen

Um die Coronakrise zu überwinden, sind Europas Volkswirtschaften auf einen gesunden und widerstandsfähigen Bankensektor angewiesen. Dafür gilt es allerdings, das Problem notleidender Kredite („Non-Perfoming Loans“, NPLs) in den Griff zu bekommen. Welche politischen Handlungsmöglichkeiten im Falle einer Verschärfung der NPL-Lage dabei vielversprechend sind und welche Kriterien die Politik bei der Umsetzung mittel- bis langfristig beachten sollte, hat das SAFE Pandemic Policy Team in einem aktuellen SAFE White Paper herausgearbeitet.

Das Team von internationalen Finanzökonomen:innen um das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE identifiziert als Kriterien mit Blick auf die politische Umsetzung: Effektivität, Machbarkeit, Glaubwürdigkeit, die Ausrichtung von Anreizen und strukturelle Auswirkungen auf das Bankensystem. Diese Kriterien lassen sich aus Sicht des Teams auf mehrere konkrete Handlungsoptionen anwenden, die der Politik offenstehen, um das NPL-Problem anzugehen: eine privatwirtschaftliche Kapitalerhöhung einzelner Banken, die vorübergehende Lockerung insbesondere der Kapitalanforderungen im Bankensektor, die Rekapitalisierung aller Kreditinstitute durch die öffentliche Hand, der Abbau von Risiken durch den Verkauf von Kreditforderungen an Dritte oder durch Einrichtung einer Bad Bank, sowie die Umstrukturierung von Forderungen und Verbindlichkeiten betroffener Banken unter Einbeziehung staatlicher Förderbanken.

„Eine Bank, die es aus eigener Kraft schafft, ihre Eigenkapitalbasis zu stärken, wäre auch in der Lage, selbst eine Restrukturierung von Problemkrediten vorzunehmen – hier sind weitere Hilfsmaßnahmen nicht angezeigt“, sagt SAFE-Direktor Jan Pieter Krahnen, Mitglied des SAFE Pandemic Policy Teams und einer der Autoren des Papiers. „Andernfalls sollte nach Möglichkeit das Wissen der Hausbanken über ihre Kreditnehmer weiter genutzt werden können. Daher sind wir generell skeptisch, was allzu umfassende Bilanzauslagerungen anbelangt.“

Nachsicht bei der Regulierung verändert Anreize für Banken

Mit Blick auf eine mögliche temporäre Auflockerung von Regulierungen im Bankensektor ist aus Sicht des Teams Vorsicht geboten. Eine derartige Lockerung könnte dazu führen, dass wesentliche Elemente der Bankenunion ausgesetzt werden und die spätere Wiedereinführung von Regeln dauerhaft unglaubwürdig bleibt. „Nachsicht bei der Regulierung verändert die Anreize für Banken, was längerfristig auch die Finanzstabilität in Europa gefährden kann“, so Krahnen.

„Die eine optimale Politikmaßnahme gibt es nicht“, ergänzt Loriana Pelizzon, Leiterin der Forschungsabteilung Financial Markets bei SAFE und ebenfalls Team-Mitglied. Durch die Einrichtung einer EU-eigenen Bad Bank könnte jedoch größerer Druck auf Geldhäuser ausgeübt werden: „Eine EU-weite Bad Bank, die NPLs aus dem gesamten europäischen Binnenmarkt auffängt, könnte potenziell effizienter arbeiten als die Mitgliedstaaten im Alleingang, wenn es um die Verwertung von Sicherheiten und nicht um die Unternehmensfortführung geht.“

„Alle Maßnahmen, die wir untersucht und bewertet haben, schließen sich nicht unbedingt gegenseitig aus“, erklärt Pelizzon weiter, „aber mit Blick auf Wirksam- und Machbarkeit, politische Glaubwürdigkeit, mögliche Fehlanreize und Folgen für Unternehmen und Verbraucher zeigen sich erhebliche Differenzen.“

Download des SAFE White Paper No. 79


Wissenschaftlicher Kontakt

Prof. Loriana Pelizzon, Ph.D
Leiterin der Forschungsabteilung Financial Markets
E-Mail: pelizzonwhatever@safe-frankfurt.de
Telefon: +49 69 798 30047