17 Sep 2015

Perspektiven für eine innovative und wachstumsfördernde Bund-Länder-Finanzbeziehung

Die gesetzliche Grundlage für den deutschen Länderfinanzausgleich in seiner aktuellen Fassung läuft Ende 2019 aus. Die erforderliche Neuordnung eröffnet Chancen für ein effizienteres und transparenteres Ausgleichssystem. Was kann Deutschland im Hinblick auf mögliche Reformen aus der Vergangenheit, aber auch von anderen föderalen Ländern wie zum Beispiel der Schweiz lernen? Darüber diskutierten schweizerische und deutsche Experten am 15. September auf einer Veranstaltung, die das SAFE Policy Center gemeinsam mit dem Schweizerischen Generalkonsulat in Frankfurt sowie dem Hessischen Finanzministerium ausgerichtet hat.

In ihrer Begrüßungsrede wies Bernadette Weyland, Staatssekretärin im Hessischen Finanzministerium, auf die aktuelle Debatte zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen hin, die bisher noch nicht zu einem Ergebnis geführt habe. Sie äußerte die Hoffnung, dass Deutschland in seinem Reformprozess von der Schweiz lernen kann, die ihren Finanzausgleich bereits 2007 erfolgreich reformiert hat. Schweizer Generalkonsul Markus Meli bekräftige, der neue Finanzausgleich in der Schweiz habe die Finanzautonomie der Kantone gestärkt. Ziel der Neuordnung war es, die Finanzkraftunterschiede zwischen den Kantonen zu verringern, aber nicht komplett zu beseitigen.

In seinem Impulsvortrag erklärte Pascal Utz, stellvertretender Leiter Finanzausgleich beim Eidgenössischen Finanzdepartement, dass es in der Schweiz im Gegensatz zu Deutschland zwischen den einzelnen Kantonen und sogar zwischen den Gemeinden einen Steuerwettbewerb gebe. Die Steuersätze seien teilweise sehr unterschiedlich. Über den Finanzausgleich erhielten ressourcenschwache Kantone von ressourcenstarken Kantonen und vom Bund finanzielle Mittel. Dieser Ressourcenausgleich basiert auf einem Index der kantonalen Ressourcen- bzw. Steuerpotenziale. Der Steuerwettbewerb bliebe dabei erhalten, so Utz. Vor allem sei der Finanzausgleich so konzipiert, dass das Wachstumspotential der Kantone durch die Ausgleichszahlungen nicht geschwächt würde.

Die anschließende Podiumsdiskussion moderierte Stephan Lorz, Ressortleiter „Konjunktur und Politik" bei der Börsen-Zeitung. Alfons Weichenrieder, Professor für Finanzwissenschaft an der Goethe-Universität und Principal Investigator in SAFE, kritisierte, dass es in der Diskussion um den Länderfinanzausgleich hauptsächlich um den horizontalen Finanzausgleich gehe, während der Umsatzsteuervorwegausgleich kaum berücksichtigt werde. Auf beiden Stufen würden allerdings ähnlich hohe Beträge zwischen den Ländern umverteilt. Einige Länder, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen (NRW), wären im horizontalen Finanzausgleich unter den Nehmerländern, aber gleichzeitig Geberländer im Umsatzsteuervorwegausgleich. In der Summe zähle NRW so gesehen zu den Netto-Geberländern, erklärte Weichenrieder. Er ist deshalb der Ansicht, dass die Kriterien auf den verschiedenen Umverteilungsstufen inkonsistent und zu wenig transparent sind. Weichenrieder plädierte außerdem dafür, die Ausgleichsquote in Deutschland von aktuell rund 99% auf zum Beispiel 85% wie in der Schweiz abzusenken, da sonst zu viel umverteilt werde. Dies sei insbesondere dann geboten, wenn man berücksichtigt, dass die Lebenshaltungskosten in den traditionellen Geberländern die höchsten in ganz Deutschland sind.

Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik an der Universität Freiburg, Leiter des Walter Eucken Instituts und Mitglied im Wirtschafts-Sachverständigenrat, warnte, dass das bisherige Ausgleichssystem auch nach 2019 in ähnlicher Form beibehalten werden könnte, wenn die Länder sich nicht auf ein neues System einigen. Auch Feld ist der Meinung, dass man durch eine Reform des Länderfinanzausgleichs eine größere Steuerautonomie sowie eine höhere Eigenverantwortung der Länder für ihre Schulden anstreben sollte. Der schwierige Reformprozess in der Schweiz habe vor allem deshalb zu einem positiven Ergebnis kommen können, weil die wirtschaftlich schlechte Situation in der Schweiz in den 1990er Jahren den Reformdruck auf das Land immens erhöht hatte. Feld gab sich pessimistisch, dass im derzeitigen „Wohlfühl-Deutschland“ ein ähnlicher Reformeifer aufgebracht werden kann. Peter Mischler, stellvertretender Sekretär der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren, betonte, dass in der Schweiz mit dem neuen Finanzausgleich ein effizienteres Umverteilungssystem geschaffen werden konnte und dass vor allem die realisierte Transparenz für Deutschland als Blaupause dienen könnte.