10 Jul 2015

Langfristige finanzielle Tragfähigkeit

Am 8. Juli 2015 hielt Alan J. Auerbach, Robert D. Burch Professor für Economics and Law und Direktor des Burch Center for Tax Policy and Public Finance, eine SAFE Policy Center Lecture zum Thema „Long-Term Fiscal Sustainability in Advanced Economies”. Der Vortrag wurde von Alexander Ludwig, SAFE Professor für Public Finance and Debt Management, moderiert.

Laut Auerbach hätten viele der führenden Volkswirtschaften nach der Finanzkrise immer noch Probleme, ihr Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln und ihre hohen Staatsschulden zu reduzieren. Er argumentierte, dass der Druck auf die öffentlichen Finanzen nicht nur von den sehr hohen Schuldenquoten im Verhältnis zum BIP herrühre, sondern auch mit dem demografischen Wandel sowie den steigenden Kosten für die Alterssicherung zusammenhänge. Sich darauf zu konzentrieren, die kurzfristige Schuldenlast zu reduzieren, könne helfen, Krisen wie die aktuelle in Griechenland zu verhindern. Allerdings müssten auch die langfristigen fiskalischen Probleme irgendwann mehr Berücksichtigung finden und mit entsprechenden politischen Maßnahmen adressiert werden.

Auerbach sieht als Hauptursache für die langfristigen fiskalischen Probleme in vielen Ländern die ungedeckten Verpflichtungen aus Altersvorsorge- und Gesundheitssystemen. Er veranschaulichte dies anhand von „Old-Age Dependency Ratios“ für verschiedene Länder in den Jahren 2015 und 2050. Diese werden im Jahr 2050 sehr viel höher sein als noch 2015. Das bedeute, dass die Belastung für die erwerbstätige Bevölkerung, für die Renten aufzukommen, dramatisch steigen werde. Dies sei vor allem in Japan der Fall, da hier die Geburtenrate sehr niedrig und die Lebenserwartung sehr hoch sei. In anderen Ländern wie den USA sei die Lage aufgrund höherer Zuwanderungsraten entspannter.

Um die langfristige finanzielle Tragfähigkeit eines Landes beurteilen zu können, berechnet Auerbach die Finanzierungslücke („fiscal gap“) des Landes, die ausdrückt, wie stark das Primärdefizit jährlich gesenkt werden muss, um am Ende einer Periode eine bestimmte Schuldenquote im Verhältnis zum BIP zu erreichen. Die Finanzierungslücke setzt sich aus den vergangenen, aktuellen und zukünftigen Defiziten eines Landes zusammen. Die zukünftigen Schulden werden unter bestimmten Annahmen zum Wirtschaftswachstum, zu Zinssätzen sowie zu Einnahmen und Ausgaben des Staates berechnet. Auerbach präsentierte Berechnungen zur Finanzierungslücke in verschiedenen Ländern bis zum Jahr 2060. Laut diesen Berechnungen ist Norwegen das Land mit der besten langfristigen finanziellen Tragfähigkeit. Norwegens Finanzierungslücke sei sogar negativ, so Auerbach, was bedeute, dass das Land bis 2060 keine Probleme mit einem Haushaltsdefizit haben werde, sondern seine Staatsausgaben noch erhöhen könnte. Im Gegensatz dazu sei die Finanzierungslücke für die USA sehr hoch. Auerbach macht dafür die enormen Kosten des Gesundheitswesens verantwortlich.

Auerbach gab zu, dass die Berechnungen der Finanzierungslücken stark von den zugrundeliegenden Annahmen abhängen. Er rät dazu, dies offen zu kommunizieren, aber dieses wichtige Instrument dennoch zu verwenden, um langfristige gesellschaftliche Herausforderungen besser verstehen und entsprechende politische Lösungen ausarbeiten zu können.