16 Feb 2018

Kooperation statt Rivalität: Gedanken zu einem digitalen Finanzplatz Europa

Joachim Wuermeling fordert eine gemeinsame Finanzmarktinitiative, um das Vakuum nach dem Brexit zu füllen

Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs sei eine unglaubliche Chance für Kontinentaleuropa, einschließlich Irlands, einen technologisch erstklassig vernetzten Finanzplatz aufzubauen und damit im globalen Maßstab höchst relevant zu werden, sagt Joachim Wuermeling. In einer SAFE Policy Lecture am 15. Februar 2018 präsentierte das Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank und neu ernanntes Mitglied im SAFE Policy Council erste Überlegungen zu der Idee eines digitalen Finanzplatzes in Europa.

Wuermeling prognostizierte, dass London nach dem Brexit voraussichtlich nicht imstande sein werde, seine Rolle als führendendes Finanzzentrum Europas zu behaupten. Da kein anderer Finanzplatz in der Lage sei, allein die Rolle von London zu übernehmen, bewertet er die Situation als gute Gelegenheit, um einen strategischen Blick auf die Angemessenheit von Geschäftsmodellen zu werfen, und ermutigt dazu, einen gemeinsamen Finanzmarkt von globaler Relevanz in Kontinentaleuropa anzustreben.

Zwar stellte Wuermeling klar, dass die Errichtung eines solchen gemeinsamen Finanzmarktes ein angemessenes Geschäftsumfeld, passende Infrastruktur, den richtigen Entwicklungsstand des Finanzsektors und eine gute Reputation benötige, er attestierte der Europäischen Union jedoch, dass sie bereits über die meisten dieser Eigenschaften verfüge. Allerdings sei Europas Potenzial auf diverse Standorte verteilt und die Fragmentierung entlang nationaler Grenzen habe angesichts der Finanzkrise weiter zugenommen. Die kontinentaleuropäischen Finanzzentren bündelten bestehende Expertise und Ressourcen nicht, um sich gemeinsam dem Wettbewerb zu stellen, sondern konkurrierten stattdessen untereinander um Marktteile.

Wuermeling sieht in den neuen digitalen Technologien, wie Echtzeitkommunikation, Distributed-Ledger-Technologie, Plattformen und Co-Working eine große Chance, um diese Ineffizienzen zu überwinden und einen technologisch erstklassigen Finanzmarkt aufzubauen. Er räumt ein, dass es sich bei der Errichtung eines „Digital Finance Hub of Europe“ um ein sehr ambitioniertes Projekt handele, das die Mitwirkung vieler Akteure benötige, die sich gemeinsam in eine Richtung bewegen. Die Politik könne hier die Rolle eines Katalysators übernehmen, indem sie die Hauptakteure an einen Tisch bringe. Seiner Ansicht nach sollte diese Zusammenarbeit auf europäischer Ebene angestoßen werden, wo bereits andere erfolgreiche Projekte wie der europäische Binnenmarkt oder die Bankenunion auf den Weg gebracht wurden.