20 Nov 2015

Koordination, Kooperation und Kommunikation zwischen Zentralbanken

"To put one’s house in order" – seine eigenen Angelegenheiten regeln – galt in der Vergangenheit als praktische Grundlage der Geldpolitik und vor allem unter den Zentralbanken der Industrieländer als erfolgreiche Devise. Mit der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft und der Finanzmärkte gewinnen jedoch externe Effekte geldpolitischer Maßnahmen und die globalen Auswirkungen spezifischer Wechselkursvereinbarungen immer mehr an Bedeutung. Kein Land ist dagegen immun. Vor diesem Hintergrund hielt Masaaki Shirakawa, Professor für International Economics an der Aoyama-Gakuin Universität und ehemaliger Gouverneur der Bank of Japan, einen Vortrag zum Thema Koordination, Kooperation und Kommunikation von Zentralbanken und Aufsehern. Die Vorlesung fand im Rahmen der SAFE Policy Center Lectures am 18. November statt und wurde von Reinhard H. Schmidt, Goethe-Universität und SAFE Policy Center, moderierte.

Geldpolitik muss global koordiniert werden

Shirakawa zufolge macht die zunehmende Globalisierung eine weltweite Kooperation und Koordination zwischen Zentralbanken in drei Bereichen zwingend notwendig: Geldpolitik, Finanzmarktinfrastruktur, die von Zentralbanken bereitgestellt wird, und Finanzaufsicht und -regulierung. Aktuell würden die meisten Industrieländer ihre Geldpolitik unabhängig voneinander betreiben, um ihre eigene Wirtschaft von Einflüssen anderer Länder zu isolieren. Allerdings sei für ein Land, dessen Geldpolitik sich schon nah an der Nullzins-Grenze bewegt, die Zinsdifferenz zu anderen Ländern von globalen Wirtschaftsbedingungen abhängig und werde daher von der Geldpolitik anderer Länder bestimmt, erklärte Shirakawa. Dieses Problem verstärke sich noch, wenn die Währung eines Landes als „Fluchtwährung“ (safe-haven) diene. Nach der Finanzkrise seien Japan und die Schweiz in genau dieser Situation gewesen. Japans Zinsen hätten sich schon seit längerem nahe der Null-Grenze bewegt, sodass das Land keinen großen Spielraum mehr hatte, die Zinsen weiter zu senken. Die USA und die Eurozone hätten ihre Zinssätze hingegen stark gesenkt, um die nationale Stabilität zu verbessern.

Generell sei es das Ziel einer geldpolitischen Lockerung, zukünftigen Konsum in die Gegenwart zu verlagern, erklärte Shirakawa. Dieser Mechanismus wirke allerdings nur kurzfristig. Ein weiteres Ziel einer Zinssenkung sei es, die Währung abzuwerten und so Exporte anzukurbeln. Diese Maßnahme könne aber nur bei regionalen Schocks erfolgreich sein, so Shirakawa. Wenn viele Länder gleichzeitig für eine längere Zeit ein aggressives Quantitative Easing (QE) betreiben würden, wirke sich dies kaum auf das globale Wachstum aus. Um die externen Effekte zu internalisieren, sei eine stärkere Kooperation und Koordination zwischen den Zentralbanken notwendig. Ansonsten könne es global zu einer zu starken geldpolitischen Lockerung kommen.

Globale Finanzmarktinfrastruktur wird unterschätzt

Die gleiche Gefahr drohe, so Shirakawa, wenn Zentralbanken in den Industrieländern eine Geldpolitik auf Grundlage von Verbraucherpreisindizes, die Lebensmittel- und Energiepreise nicht berücksichtigen, betrieben. Grund hierfür sei, dass Rohstoffpreise von dem zugrundeliegenden Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sowie von weltweiten monetären Bedingungen beeinflusst würden und Zentralbanken die inflationären Auswirkungen ihrer eigenen Politik nicht bei ihren Entscheidungen berücksichtigten.

Im globalen Bankgeschäft sei die weltweite Kooperation zwischen den Zentralbanken bei Zahlungsverkehrs- und Abwicklungssystemen bisher zu wenig gewürdigt worden, meinte Shirakawa. Nach der Finanzkrise hätte sich gezeigt, dass das Finanzsystem viele Schwächen hat. Die Zahlungsverkehrs-, Clearing- und Abwicklungssysteme gehörten allerdings nicht dazu. Shirakawa ist vielmehr der Ansicht, dass diese weiterhin gut funktionierende Finanzmarktinfrastruktur dazu beigetragen hat, die Auswirkung der Krise gering zu halten.

Länder müssen Finanzmarktregulierung stärker abstimmen

Im Bereich Finanzaufsicht und -regulierung stehe die Welt vor einem neuen Trilemma, sagte Shirakawa. Ihm zufolge ist es nicht möglich, dass jedes Land seine Finanzmärkte im Alleingang reguliert, dass die Finanzmärkte weiter integriert werden und dass gleichzeitig die Stabilität des globalen Finanzsystems gewährleistet werden kann.

Die weltweite Finanzkrise und die vorangegangene Blase in den Finanzmärkten hätten gezeigt, dass schwerwiegende Probleme für die Finanzstabilität auftreten, wenn externe Effekte im Finanzsektor vernachlässig werden, erklärte Shirakawa. Vor diesem Hintergrund hätten sich viele Länder entschieden, eine isolierte Finanzmarktregulierung aufzugeben, auch wenn die Gesetze dazu immer noch national „geschrieben“ werden. Diese Kooperation (und Koordination) würde aktuell in verschiedenen Gremien stattfinden, wie zum Beispiel im Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, im Financial Stability Board oder innerhalb der Gruppe der Zwanzig (G20). Shirakawa ist der Meinung, dass der aktuelle Stand der weltweiten Kooperation und Koordinierung im Bereich Finanzaufsicht und -regulierung noch nicht ideal ist, aber er musste auch anerkennen, dass hier stetige Fortschritte gemacht werden.


> Präsentation (englisch)