24 Feb 2022

Herausforderungen für die Schuldentragfähigkeit

Der Ökonom Ludger Schuknecht warnte in einer SAFE-CEPR Policy Lecture vor hohen Staatsschulden, die selbst mit optimistischen Prognosen kaum zu finanzieren sind

Die öffentlichen Schulden sind weltweit auf Rekordniveau und in den entwickelten Volkswirtschaften vergleichbar mit der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg 1945. Der Vize-Präsident und Corporate Secretary der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank („Asian Infrastructure Investment Bank“, AIIB), Ludger Schuknecht, betonte bei einer Policy Lecture des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE zusammen mit dem Center for Financial Studies (CFS) am 27. Januar 2022 die steigende Relevanz der Schuldentragfähigkeit von Industrienationen.

Im globalen Kontext komme es dabei weniger auf überschuldete kleine Staaten, sondern vor allem auf große Staaten und Industrieländer an: Die fiskalischen Risiken seien gerade in Industrieländern hoch und die wachsenden Schulden selbst für große Volkswirtschaften nicht finanzierbar, so Schuknecht.

Finanzstabilität und Demographie

Die Finanzstabilität sei nach wie vor eine der zentralen Herausforderungen, zeigte Schuknecht. Eine erneute Finanzkrise könne auch massive fiskalische Auswirkungen haben. Risiken im Bankensektor wurden seit der Finanzkrise von 2008 verringert. Aufgrund höherer Privatschuldung, Verschuldung im Unternehmenssektor oder Schieflagen in den nationalen Rentensystemen sei eine erneute Finanzkrise jedoch nicht auszuschließen. Durch die international vernetzten Finanzmärkte sei auch eine Ansteckung über Grenzen hinweg wahrscheinlich. „Wir kennen die sicheren Häfen der Zukunft nicht“, so Schuknecht.

Neben der Finanzstabilität stelle auch die Überalterung der Bevölkerung eine zentrale Herausforderung dar. Zum einen werden die altersbedingten öffentlichen Ausgaben deutlich steigen. Zum anderen könnten Investitionen nicht den gewünschten Effekt haben: „Die Frage ist, ob künftig Steine oder Köpfe mehr wert sind“, folgerte Schuknecht. Umworbene Fachkräfte würden sich für die Länder entscheiden, in denen „mehr netto vom brutto“ übrig bleibe und somit letztlich für Länder, in denen die Pro-Kopf-Steuern zur Schuldenfinanzierung niedriger sind. Aus seiner Sicht könnten Industriestaaten dadurch Wettbewerbsfähigkeit einbüßen und nicht ausbauen.

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Schuknecht präsentierte vier Wege, wie die Schulden nachhaltig abgebaut werden können. Realistisch sei ein Mix aus den Szenarien zu erwarten. Als bisher „gängige Meinung“ beschrieb Schuknecht das erste Szenario von Konsolidierung und Reformen: Wenn die Schuldenfinanzierungnicht mehr gewährleistet ist, ist die Schuldenlast durch Konsolidierung zu reduzieren. Schuknecht zweifelte aber daran, dass diese gängige Praxis in großen Industrie- und Schwellenländern in absehbarer Zeit umgesetzt werde, da die Dringlichkeit des Schuldenabbaus politisch nicht gesehen werde. Als zweites Szenario komme die Schuldenrestrukturierung in Frage. Während über diesen Weg in Schwellenländern durchaus schon Schulden abgebaut würden, glaubt Schuknecht nicht, dass die Restrukturierung auch eine Lösung für hochverschuldete große Länder ist: „Damit wären eine Menge fiskalischer, finanzieller und rechtlicher Fragen verbunden.“

Der dritte Weg sei die finanzielle Repression („schleichender Sparverlust „). Durch die derzeitigen Zinsen, die die Wachstumsrate unterschreiten, können Schuldenstände deutlich reduziert werden, aber „der Effekt wird nicht groß genug sein, um die Probleme hochverschuldeter Länder zu lösen“, argumentierte Schuknecht. Letztlich sei unklar, wie stabil dieses Szenario sei. Die finanzielle Repression könne durch politische Fehlentscheidungen oder wenn der Schuldenstau zu hoch sei in einem vierten Szenario zur Destabilisierung führen. „In den vergangenen zehn Jahren war die Sicherheit der Schuldenmärkte in den Industrieländern vom Vertrauen in die Märkte der Leitwährungen abhängig“, betonte Schuknecht. Es habe sich gezeigt, dass dieses Vertrauen auch bei großen Industrieländern verloren gehen und zu Destabilisierung führen könne.