Eingriffe von Zentralbanken in die Finanzmärkte durch direkte oder indirekte Anleihekäufe sind umstritten, da sie nicht unmittelbar auf die Zentralbankmandate einzahlen. Sowohl in der Finanzkrise 2007 bis 2009 als auch in der Coronakrise haben Zentralbanken ihre Fazilität, also die Möglichkeit zur Kreditvergabe, ausgeweitet, um die Marktliquidität aufrecht zu erhalten. In Krisenzeiten sei das durchaus wichtig. Ohne stabile Finanzmärkte sei eine wirksame Geldpolitik nicht möglich, erläuterte Stephen Cecchetti, Professor für internationale Finanzen an der US-amerikanischen Brandeis University in einem Web-Seminar am 21. Februar 2023.
In der gemeinsamen Veranstaltung des Leibniz-Instituts SAFE und des Centre for Economic Policy Research European Finance Architecture Research Policy Network, stellte Cecchetti zehn wünschenswerte Voraussetzungen vor, unter denen Zentralbanken als Kreditgeberinnen („lender of last resort“, LOLR) oder Marktmacherinnen letzter Instanz („market maker of last resort“, MMLR) agieren sollten. Zusammen mit Willem Buiter, Kathryn Dominguez und Antonio Sánchez Serrano hat er diese Bedingungen in einem Bericht des Beratenden Wissenschaftlichen Ausschusses des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken („European Systemic Risk Board“, ESRB) im Januar veröffentlicht. Im Anschluss kommentierten die Forscher Frank Keane von der US-Zentralbank Federal Reserve of New York und Darrell Duffie von der Universität Stanford die Vorschläge von Cecchetti und seinen Ko-Autor:innen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Loriana Pelizzon, SAFE-Abteilungsleiterin für Financial Markets.
„Ohne funktionierende Finanzmärkte gibt es keine Geldpolitik“, argumentierte Checchetti und verwies auf den Fall der britischen Zentralbank Bank of England, die wahrscheinlich eine Finanzmarktkrise im Vereinigten Königreich abgewendet hat, indem sie im Oktober 2022 mit einen Gesamtvolumen von 65 Milliarden Pfund in den Markt britischer Staatsanleihen eingriff. Laut Cecchetti sei das Eingreifen der Zentralbanken als LOLR oder MMLR gerechtfertigt, um systemrelevante Finanzmärkte zu stabilisieren. Dies sei auch Voraussetzung, um die Realwirtschaft zu unterstützen.
Während der Coronapandemie waren weltweit zahlreiche solcher Eingriffe in unterschiedlichen Größenordnungen zu beobachten. Die Banken weiteten die akzeptierten Wertpapiere und Gegenparteien aus, weshalb Cecchetti auch von erweiterten LOLR spricht. Wie bei der traditionellen LOLR-Funktion gebe es Abstriche bei der Qualität der Sicherheiten, und es würden Gegenparteien akzeptiert, die reguliert und beaufsichtigt werden.
Hürden bei der Preisfindung für Wertpapiere
Als Marktmacherin kaufen und verkaufen Zentralbanken Wertpapiere direkt in illiquiden, systemrelevanten Märkten. Schwierig sei es, den richtigen Preis zu finden: er müsse über dem Marktpreis liegen, um in normalen Zeiten unattraktiv zu sein, sollte aber unter dem Basiswert der Titel liegen, erläuterte Cecchetti. Dafür sollten Zentralbanken sicherstellen, dass die Preise der Sicherheiten ständig geprüft werden und dass die Transaktionen die Geldbasis, also das Zentralbankgeld, nicht verändern.
Cecchetti selbst bevorzugt es, wenn Zentralbanken als LOLR agieren: „Im Rahmen der Kreditvergabe bestimmen die privaten Akteure die Preise und wir haben auch Erfahrung damit, wie man mit Konsequenzen von Fehlanreizen umgeht“, erläuterte er.
Frank Keane, der mit Darrell Duffie zum Thema staatlicher Ankaufprogramme forscht, stimmte Cecchetti zu, dass die LOLR-Funktion der bessere Weg sei. „Das wird aber nicht ausreichen, um Marktversagen zu beheben“, argumentierte er, „am besten bereitet man sich an allen Fronten vor.“ Keane betonte vor allem die Schwierigkeit, die richtigen Strafzinsen festzulegen. Insbesondere bei einer ständigen Fazilität wäre das eine Herausforderung. Der Leitzins könne nur als Orientierung dienen.
Des Weiteren gingen die Forscher auf mögliche Fehlanreize ein. Diese müssten in ruhigen Zeiten adressiert werden. Dazu sei zum einen erweiterte Regulierung nötig, die grenzüberschreitend gilt. Zum anderen müssten Marktstrukturen verbessert werden, beispielsweise durch zentralere Verfahren bei der Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten, dem sogenannten Clearing. „Mitten in einer Finanzkrise ist es zu spät, Fehlanreize zu adressieren, das macht Märkte nur noch instabiler“, betonte Duffie. Die anschließende Diskussion zeigte deutlich, wie komplex und wichtig es ist, diese Fazilitäten in Zeiten von Finanzstabilität zu diskutieren und einen Rahmen dafür festzulegen.