Zehn Jahre nach der Schaffung der Bankenunion braucht Europa immer noch einen voll funktionierenden Binnenmarkt für Bankprodukte und -dienstleistungen. Um hier Abhilfe zu schaffen, sind keine weitreichenden neuen Vorschriften erforderlich, sondern lediglich eine Reihe von Änderungen an bestehenden Gesetzen, um eine einheitliche Rechtsprechung für grenzüberschreitend tätige Banken in dem von der Bankenunion abgedeckten Gebiet zu ermöglichen. Der Zeitpunkt ist günstig, denn die Gewinne der Banken haben sich nach der Rückkehr der Zinssätze auf ein normaleres Niveau verbessert, was die Expansion in andere europäische Länder erleichtert.
Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse zum Stand der Bankenunion, die Ignazio Angeloni, Senior Fellow am Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE, im Auftrag des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments vorgelegt hat. „Das Ziel, eine echte Bankenunion zu schaffen – einen Binnenmarkt für das Bankwesen, der der Dimension und der angestrebten Rolle Europas auf der Weltbühne entspricht – wird nach wie vor nicht erreicht und nicht richtig angegangen“, sagt Angeloni. „Die grenzüberschreitende Integration erfordert keine Änderung der Regeln für alle europäischen Banken.“
Die in der Analyse vorgeschlagenen Änderungen beziehen sich auf die Art und Weise, wie das grenzüberschreitende Bankgeschäft in den wichtigsten EU-Rechtsakten zur Regulierung des Bankensektors behandelt wird, nämlich in der Eigenkapitalrichtlinie und der Eigenkapitalverordnung, in der Abwicklungsrichtlinie, in der Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus sowie in der Einlagensicherungsrichtlinie.
Beschränkende Rechtsvorschriften und Reformbedarf bei Krisenmanagement und Einlagensicherung
Angeloni nennt zwei grundlegende Probleme, die einer weiteren Integration des europäischen Bankensektors im Wege stehen: Erstens beschränken die Rechtsvorschriften, vor allem in der Eigenkapitalverordnung, die Kapital- und Liquiditätsanforderungen für Kreditinstitute auf die nationale Ebene. „Dadurch ist der Einheitliche Aufsichtsmechanismus gezwungen, einzelne nationale regulatorische Anforderungen für Bankengruppen durchzusetzen, die in mehreren EU-Staaten agieren“, erklärt Angeloni. Zweitens gibt es keine Bestimmungen, die die Unterstützung und den Zusammenhalt innerhalb der Gruppe gewährleisten, wenn Teile dieser Gruppen in Schwierigkeiten geraten. Um hier Abhilfe zu schaffen, muss der auf grenzüberschreitend tätige Banken angewandte Rahmen für Krisenmanagement und Einlagensicherung aus Sicht der Regulierung, der Aufsicht und des Krisenmanagements „länderblind“ gestaltet werden. Die Reform dieses Rahmens sollte die Phase vor der Abwicklung einer Bank („Sanierungsphase“), den Abwicklungsbeschluss und das anschließende Verfahren umfassen.
Ein Vergleich von Daten aus den USA und Europa zeigt, dass in beiden Ländern grenzüberschreitende Banken (in den USA bedeutet dies, dass sie über die Grenzen von Bundesstaaten oder Bezirken hinweg tätig sind) eine kleine Minderheit darstellen. „Das grenzüberschreitende Bankgeschäft wird nur von wenigen Kreditinstituten betrieben, selbst in gut integrierten Märkten wie den USA“, sagt Angeloni. „Im Allgemeinen unterwirft das EU-Recht alle Kategorien von Banken denselben Regeln. Dies ist in anderen Zusammenhängen verständlich und wünschenswert, aber unter dem Gesichtspunkt der grenzüberschreitenden Integration ein Hindernis“, erklärt er.
Um die Tür für nahtlose Banktransaktionen und mehr Integration im europäischen Bankensektor zu öffnen, fordert Angeloni, dass das EU-Bankenrecht einer effizienten „länderneutralen“ Geschäftsabwicklung nicht im Wege stehen sollte, die es den Banken ermöglicht, unter der Aufsicht der Europäischen Zentralbank ins Ausland zu expandieren. „Das nächste Ziel sollte es sein, die regulatorischen Hindernisse zu beseitigen, die seit 2014 eine fortschreitende Bankenintegration trotz einer ansonsten erfolgreichen Bankenunion verhindert haben“, so Angeloni.
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