Versierte Anleger wissen, dass Diversifizierung das Portfolio schützt: Wer sein Geld über mehrere Anlagemöglichkeiten verteilt, minimiert das Risiko großer Verluste. Gilt das auch für die geografische Aufstellung von Banken? Die Wissenschaft ist in dieser Frage bislang uneins. Einige Studien sagen: Ja, eine geografische Expansion von Banken reduziere deren Risiko. Wenn eine Bank in verschiedenen Regionen tätig ist, die unterschiedlichen wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt sind, dann kann geografische Diversifizierung das Gesamtrisiko der Bank verringern. Außerdem sind geografisch diversifizierte Banken oft größer und arbeiten meist kosteneffizienter, was auch ihre Stabilität erhöht. Andere Analysen vermuten das Gegenteil: Eine hohe Zahl neuer Zweigstellen in zudem großer Entfernung erhöhe die Komplexität und erschwere Qualitätskontrolle und Risikomanagement. Demnach wäre geografische Diversifizierung dann schlecht für die Stabilität. Verschiedene empirische Studien lieferten bislang keine eindeutigen Ergebnisse.
Martin Götz, Professor für Regulierung und Stabilität von Finanzinstituten am LOEWE-Zentrum SAFE der Goethe-Universität Frankfurt, hat zusammen mit Luc Laeven (EZB) und Ross Levine (Berkeley) in einem nun veröffentlichten Paper* die Frage neu untersucht. Um den tatsächlichen Beitrag geografischer Diversifizierung zum Bankenrisiko zu ermitteln und gleichzeitig Aspekte wie Kosteneffizienz und Komplexität zu berücksichtigen, nutzten sie dafür Änderungen in der Regulierung von US Banken. Zwischen den 1980er und 1990er Jahren begannen immer mehr US Bundestaaten, staatenfremden Banken das Eröffnen von Zweigstellen zu erlauben. Diese Gesetzesänderungen ermöglichten es den Forschern, eine Reihe von Analysen auf Basis von Daten US-amerikanischer Banken in unterschiedlichen Metropolregionen durchzuführen und so den Beitrag geografischer Diversifizierung zum Bankenrisiko zu messen. Ihr Ergebnis: Geografische Diversifizierung reduziert Risiken und hat keine negativen Auswirkungen auf die Qualität der vergebenen Kredite.
Laut Martin Götz ist dieses Ergebnis von großer Bedeutung für die Bankenregulierung. „Regulierungsmaßnahmen sind Ergebnis einer Abwägung verschiedener Motive und Ziele. Aus Sicht der Regulierenden kann man beispielsweise das Anliegen verfolgen, die geografische Diversifizierung von Banken zu begrenzen, weil es einfacher ist, eine kleinere Bank zu überwachen als eine große. Vor dem Hintergrund unserer Ergebnisse muss der Regulierer dabei jedoch in Betracht ziehen, dass Banken dann das risikovermindernde Potenzial der Diversifikation nicht nutzen können.“
Götz warnt jedoch davor, aufgrund seiner Ergebnisse kleineren Banken, wie etwa deutschen Sparkassen, grundsätzlich ein höheres Risiko zuzuschreiben. „Neben der Diversifizierung spielen noch viele andere Aspekte eine Rolle für das Risiko einer Bank. Die deutschen Sparkassen sind zum Beispiel zwar eigenständig und regional begrenzt tätig, sie gehören aber einem großen Haftungsverbund an, der dafür sorgt, dass sich die Sparkassen gegenseitig unterstützen und somit das Risiko begrenzen.“ Man müsse jedoch durchaus sehen, dass eine einzelne Sparkasse dem Risiko ihrer Region in einem größeren Maße „ausgeliefert“ sei als eine Bank, die nicht nur in einer Region tätig ist.
* Götz, M., Laeven, L., Levine, R. (2015): „Does the Geographic Expansion of Banks Reduce Risk?“, forthcoming in the Journal of Financial Economics.