12 Jun 2020

Der Finanzplatz Schweiz hat eine Thermometerfunktion für Europa

In einem SAFE-Webinar spricht der Finanzhistoriker Tobias Straumann über die internationale Bedeutung des Schweizer Finanzplatzes in Krisenzeiten

Die Schweiz hat in der politischen und wirtschaftlichen Geschichte immer eine neutrale Position und damit eine Sonderrolle in Europa eingenommen. Laut Tobias Straumann, Finanzhistoriker an der Universität Zürich, komplettiert die Schweizer Finanzgeschichte aber das Bild der europäischen Finanzgeschichte, indem sie die Entwicklungen der Finanzmärkte Europas nachbildet oder gegensätzliche Tendenzen erkennen lässt. In einem Webinar, organisiert von SAFE, dem Institut für Bank- und Finanzgeschichte, der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie dem Verein für Socialpolitik, erklärte er, welche Bedeutung Finanzdaten des Schweizer Finanzmarktes im internationalen Kontext haben.

Trotz der Sonderrolle, die die Schweiz im politischen und wirtschaftlichen Geschehen international einnimmt, übertragen sich die Finanzkrisen direkt auf den Schweizer Finanzmarkt. Dies sei auf die ausgeprägte Internationalisierung der Schweizer Banken und Versicherungen zurückzuführen, so Straumann. Dadurch können indirekt auch weitere Krisen im Land entstehen. Gerade diese Sekundärkrisen haben eine gewisse internationale „Thermometerfunktion“ und seien vor allem durch die Zuflucht für ausländisches Kapital zu erklären. Gerade in Krisenzeiten gelte die Schweiz immer noch als „sicherer Hafen“, erklärte der Experte.

Dies zeige sich unter anderem nach der Finanzkrise 2008/2009. Während die wirtschaftlichen Verwerfungen direkt durch die nötige Stabilisierung der unmittelbar betroffenen UBS-Bank in die Schweiz übertragen wurden, entstanden zwei Sekundärkrisen. Zum einen sei die Bedeutung der Eidgenossenschaft in der Vermögensverwaltung durch die Abschaffung des Bankgeheimnisses für ausländische Kunden im Februar 2009 drastisch zurückgegangen. Zum anderen habe die Schweiz im Sommer 2011 einen Aufwertungsschock der eigenen Währung verkraften müssen. Anhand der Entwicklung des Schweizer Franken lasse sich die „Fieberkurve“ der Eurokrise nachvollziehen, so Straumann.

Nach wie vor sind aber gerade in Krisenzeiten kurzfristige Kapitalbewegungen in die Schweiz zu beobachten: „Die Banken sind nicht innovativ, aber sie haben diese Platzierungskraft“, erklärte Straumann die Kapitalströme. Während große Finanzzentren wie London auch Neuerungen auf den Märkten hervorbringen, profitiere Zürich nach wie vor von dem großen Vermögen, das in der Schweiz seit Ende des Ersten Weltkriegs verwaltet werde und die Banken wiederum für das Kapitalmarktgeschäft nutzen können, so Straumann.

Das Webinar auf Youtube anschauen.