03 Jul 2020

Ausschüttungsverzicht für europäische Kreditwirtschaft stößt auf Kritik

SAFE-FBF-CEPR Policy Webinar: Experten äußern Vorbehalte gegen Forderung des EU-Systemrisiko-Rats nach Dividendenverzicht

Banken und Versicherungsgesellschaften in Europa sollen mindestens bis zum 1. Januar 2021 auf die Zahlung von Dividenden und variablen Vergütungen sowie auf den Rückkauf von Aktien verzichten – und wenn nötig sogar länger, wenn es nach den Empfehlungen des EU-Systemrisiko-Rats („European Systemic Risk Board“, ESRB) in seinem aktuellen Bericht geht. Demnach werden sowohl Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften als auch Banken im Zuge der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie Verluste verkraften müssen. Um diese Verluste auszugleichen, ist die europäische Kreditwirtschaft auf Kapitalpolster angewiesen – daher die Empfehlung auf Ausschüttungen zu verzichten, wie ESRB-Vertreter Francesco Mazzaferro beim gemeinsamen Policy Webinar von SAFE, der Florence School of Banking & Finance (FBF) und dem Centre for Economic Policy Research (CEPR) am 24. Juni 2020 darlegte.

„Die Empfehlung des ESRB zielt auf die wesentlichen Risikoträger der Corona-Pandemie ab“, führte Mazzaferro aus, „ohne Auszahlungseinschränkungen werden wir bald nicht mehr über Gewinn- sondern Verlustbeteiligungen sprechen.“ Sollte Europas Kreditwirtschaft den Empfehlungen nicht Folge leisten, sehe sich der ESRB gezwungen, die Angelegenheit sowohl dem Europäischen Parlament und dem EU-Ministerrat als auch den zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden auf den Tisch zu legen. In der Diskussion darüber sah sich Mazzaferro mit Kritik von wissenschaftlicher und Beraterseite an dem ESRB-Vorstoß konfrontiert.

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Nach Ansicht von SAFE-Direktor Jan Krahnen sei ein Eingriff nach den Vorstellungen des ESRB weder nötig noch verhältnismäßig: „Die Auferlegung strenger Auszahlungsbeschränkungen kann die Markterwartungen an das Eigenkapital von Kreditinstituten grundlegend verändern und damit möglicherweise auch die Investitionsbereitschaft und an den Märkten in Europa.“ Das vom ESRB geforderte Verbot laufe zugleich Gefahr, die europaweit geltende Bail-in-Regelung auszuhebeln, was in letzter Konsequenz eine Marktbereinigung verhindere. „Ein derartiger Eingriff schadet der Marktdisziplin“, so Krahnen, „die Verantwortung sollte bei den Aktionären liegen.“ Ähnlich äußerten sich Sylvie Mathérat, Mitglied des „High-Level Forum on Capital Markets Union“ der EU-Kommission, und Viral Acharya von der Stern School of Business der New York University.

Auszahlungsbeschränkungen würden zwar dem gesunden Menschenverstand entsprechen, Umfang und nicht zuletzt die Dauer der Maßnahme allerdings einige Risiken für sämtliche Marktteilnehmer bergen, befand Matherat: „Die Spielregeln müssen klar bleiben.“ Die Aufsicht sollte bestimmte Instrumente zur Marktregulierung nicht diktatorisch vorgeben, so Acharya. Stattdessen müsse die individuelle Entscheidungsfreiheit über ausreichende Kapitalpolster für Kreditinstitute gewahrt bleiben – gerade in Notsituationen, wie sie die Corona-Pandemie zuletzt verursacht hat.