16 Apr 2018

Ardo Hansson: Die Nebenwirkungen der EZB-Geldpolitik könnten zunehmen

Der Gouverneur der Notenbank von Estland hält Policy Lecture beim LOEWE-Zentrum SAFE

In den vergangenen zehn Jahren hat die Europäische Zentralbank verschiedene Maßnahmen  unkonventioneller Geldpolitik eingesetzt, um das wirtschaftliche Wachstum in Gang zu bringen und die Nachfrage anzukurbeln. Ist die Geldpolitik des Eurosystems  erfolgreich gewesen, und was sind die Nebenwirkungen dieser unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen, insbesondere der Ankaufprogramme? Ardo Hansson, Gouverneur der Eesti Pank (die Zentralbank von Estland) und Mitglied des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB), sagte bei einer SAFE Policy Lecture am 11. April im House of Finance in Frankfurt, dass die unkonventionellen Maßnahmen der EZB-Geldpolitik ihre beabsichtigten Ergebnisse zum größten Teil erreicht hätten. Allerdings würde die Wahrscheinlichkeit von schwerwiegenden Nebenwirkungen zunehmen, je länger die expansive Geldpolitik andauere, warnte Hansson.

In seiner Rede stellte der estnische Zentralbankpräsident die unkonventionellen Maßnahmen vor, die die EZB in verschiedenen Phasen seit 2008 zusammengestellt und eingesetzt hat. Der Rückgang des Zinsniveaus habe die Kreditbedingungen für Unternehmen und private Haushalte im Euroraum verbessert, so Hansson. „Der Anstieg der Kreditvergabe durch die Banken zeigt, dass die Maßnahmen Ergebnisse gebracht haben. Viele der damit beabsichtigen Effekte werden mehr und mehr sichtbar“, sagte Hansson.

Er räumte aber ein, dass die Effekte der geldpolitischen Maßnahmen in manchen Bereichen hinter den Erwartungen zurückgeblieben seien und sogar nicht beabsichtigte Nebeneffekte verursacht hätten. „Es gibt hoch verschuldete Mitgliedstaaten, die die Zinsersparnisse nur für eine Lockerung der Fiskalpolitik genutzt haben, statt für den Schuldenabbau“, kritisierte Hansson. Diese Länder würden sich in der Zukunft noch größeren Problemen gegenüber sehen. Auch gebe es gewisse Bedenken hinsichtlich der Finanzstabilität. Beispielsweise hätten sich die Preise für Gewerbeimmobilien von ihrem langfristigen Durchschnittsniveau entfernt. Insgesamt schienen aber die Immobilienpreise im Euroraum nicht fundamental überbewertet zu sein. „Die Auswirkungen auf Strukturreformen waren zum Teil enttäuschend“, sagte Hansson. Während Reformen des Arbeitsmarkts erfolgreich umgesetzt worden seien, hätte die Qualität von Institutionen stagniert.

Aus der Sicht von Hansson ist die Tatsache, dass die Inflationsrate im Euroraum nicht bei der Zielrate von unter, aber nahe 2 Prozent Teuerung liege, kein Indikator dafür, dass die EZB ihre Ziele nicht erreicht hätte. Stattdessen bat er um Geduld. Die niedrige Inflation der vergangenen Jahre sei hauptsächlich durch sinkende Energiepreise verursacht worden, sagte Hansson. Die Teuerung sei ebenfalls durch niedrigere regulierte Preise und indirekte Steuern gesunken. Hansson argumentierte, dass der Abstand zwischen Lohnwachstum und Kerninflation größer geworden sein könnte und die Verbindung zwischen Löhnen und Inflation schwächer. Zwar könne es noch etwas länger dauern, doch die anhaltende Erholung im Euroraum würde die Inflation weiter antreiben, sagte Hansson. In der Zwischenzeit sollte die Geldpolitik ausreichend expansiv sein, um das Vertrauen in die Entschlossenheit der Zentralbank zu stärken, das Preisstabilitätsziel zu erreichen, so Hansson. Zugleich warnte er, dass diese Phase nicht zu lange andauern dürfe: „Obwohl expansive Geldpolitik notwendig ist, wird die Beurteilung ihrer Nebeneffekte an Bedeutung gewinnen.“